Großbritannien: „Your Party“ implodiert. Baut die Socialist Equality Party auf!

Am Donnerstag, den 18. September, trat der Fraktionskampf, der das britische Projekt „Your Party“ seit seiner Gründung erschüttert, offen zutage.

Seitdem die Abgeordnete Zarah Sultana im Juli aus der Labour Party ausgetreten ist, galt gemeinhin, dass die neue linke Partei – zumindest anfänglich – von ihr und dem ehemaligen Labour-Parteichef Jeremy Corbyn gemeinsam geführt werden sollte. Dieser Plan ist jetzt auf spektakuläre Weise gescheitert.

Am Donnerstag um 11 Uhr kündigte Sultana an, Your Party werde bereits im Vorfeld des schon angekündigten Gründungsparteitags im November offizielle Mitgliedschaften registrieren und stellte einen Link für die Registrierung zur Verfügung.

Zarah Sultana bei einer Protestveranstaltung gegen die „Strike Bill“ am 1. Februar 2023

Nur wenige Stunden später schrieb Sultana in einem weiteren Post, dass 20.000 Personen beigetreten seien, und dass sie Daueraufträge von fünf Pfund pro Monat eingerichtet hätten, was Einnahmen von einer Million Pfund pro Jahr entspräche. Sie versicherte außerdem: „Rechte Akteure, die in böser Absicht handeln, versuchen verzweifelt zu behaupten, dieser Link sei eine Täuschung. Das ist er nicht. Er ist sicher und geschützt!“

Eine Stunde später erschien eine Erklärung vom Account von Your Party, in der es hieß: „Heute Morgen wurde eine nicht autorisierte E-Mail an alle Unterstützer von yourparty.uk geschickt, die Details über ein angebliches Mitgliedschaftsportal unter einem neuen Domainnamen enthielt. Wir haben die Rechtsberatung eingeschaltet. Alle Unterstützer sollten die E-Mail ignorieren. Falls bereits Abbuchungen durchgeführt wurden, sollten sie sofort storniert werden.“

Die Erklärung war von Corbyn und seinen parteilosen Abgeordnetenkollegen Ayoub, Adnan Hussain, Iqbal Mohammed und Schockat Adam unterzeichnet. Sultanas Name fehlte, und das legt nahe, dass sich die Botschaft gegen sie richtete.

Sultana reagierte 30 Minuten später und teilte mit, die oben genannte Gruppe habe sie „an den Rand gedrängt“ und „faktisch von den offiziellen Konten ausgeschlossen“. Sie räumte ein, dass sie deshalb „den Schritt unternommen und ein Mitgliedschaftsportal ins Leben gerufen [habe], damit Unterstützer sich weiterhin beteiligen und organisieren können“.

Zur Begründung erklärte sie, sie sei „einem sexistischen Männerverein ausgesetzt“ und „glaube nicht, dass dessen Mitglieder es akzeptieren werden, dass Karie Murphy [Corbyns Stabschefin während seiner Zeit als Labour-Parteichef] und ihre Kollegen die alleinige finanzielle Kontrolle über die Mitgliedergelder und die alleinige konstitutionelle Kontrolle über unseren Parteitag innehaben“.

Sie appellierte an Corbyn: „Jeremy muss sich mit mir treffen und zustimmen, alle vereinbarten Strukturen, Prozesse und Entscheidungsfindungs-Protokolle öffentlich zu machen. (...) Kein abgekartetes Spiel, keine Krönungen: Die Mitglieder müssen entscheiden.“

Um 19 Uhr desselben Tages veröffentlichte die Corbyn-Fraktion eine weitere Erklärung auf dem Account von Your Party, in dem sie erklärte, ihr Datenverantwortlicher habe sich an die britische Datenschutzbehörde ICO (Information Commissioner’s Office) gewandt. „Wir werden mit dem Beauftragten uneingeschränkt kooperieren.“ Weiter wird auf die „gesetzlichen Pflichten“ verwiesen.

Die Corbyn-Fraktion zitierten Sultanas „einseitige Entscheidung“ und wies ihre Vorwürfe zurück. Man schätze Karie Murphy als „vertrauenswürdige und engagierte Freiwillige“.

Die Reaktion von Corbyn und Sultanas Anhängern – von Online-Publikationen wie Novara Media, The Canary und Skwawkbox bis hin zu Parteien wie der Socialist Workers Party (SWP) und der Revolutionary Communist Party (RCP) – bestand aus verzweifelten Klagen darüber, wie der Ausbruch von Fraktionsstreitigkeiten das riesige „Potenzial“ des Projekts „Your Party“ untergraben habe.

Viele appellierten an die Fraktionen von Corbyn und Sultana, angesichts der Tatsache, dass die extreme Rechte in den Startlöchern stehe, die Dringlichkeit der Lage zu erkennen, ihre Differenzen beizulegen und die Organisation des Gründungsparteitags fortzusetzen. Dabei waren die Sympathien eher auf Sultanas als auf Corbyns Seite.

Die nationale Organisatorin der RCP, Fiona Lali, twitterte: „Diese Partei hatte und hat Potenzial. Gebt das Datum des Parteitags bekannt. Nehmt ein revolutionäres Programm an.“

Die SWP erklärte: „Die Geschichte wird keiner Seite verzeihen, wenn das Projekt Your Party scheitert, bevor es auch nur gegründet wurde.“ Your Party solle sich „um bestimmte sozialistische Prinzipien vereinen“, den „Wahlkampfmodus“ aufgeben und sicherstellen, dass ihre gewählten Vertreter „bei grundlegenden Prinzipien der Parteidisziplin unterworfen“ werden.

Nichts davon steht zur Debatte.

Der vergangene Donnerstag hat klar bestätigt, dass nichts an Your Party demokratisch, geschweige denn sozialistisch oder revolutionär sein wird.

Die Pose der Empörung und Überraschung der Pseudolinken ist heuchlerisch. Erstens wussten sie alle, dass Your Party von rivalisierenden und verantwortungslosen Cliquen geführt wird.

Zweitens ist der Vorfall keine dramatische Umkehr von der ansonsten prinzipientreuen Bilanz der Corbyn-Anhänger. Er bringt vielmehr den wesentlichen Inhalt ihrer opportunistischen, pro-kapitalistischen Politik ans Licht.

Corbyns jahrelanger Widerstand gegen die Gründung einer neuen, gegen Labour gerichteten Partei ist legendär. Die Rolle, die sein innerer Kreis während seiner Zeit als Parteichef durch die Gruppe Momentum bei der Kastration linker Stimmungen in der Labour Party gespielt hat, ist ebenfalls allgemein bekannt, ebenso wie die rechte Politik der mit ihm verbündeten parteilosen Abgeordneten.

Die Socialist Equality Party hat zur ersten Ankündigung von Your Party, auf der Grundlage einer marxistischen Untersuchung dieser Vorgeschichte, das Folgende erklärt:

Der Charakter der Partei wird vor allem von ihrer Führung geprägt. Sie hat sich in den letzten Monaten nicht nur aus der Führung Corbyns entwickelt, sondern auch aus derjenigen vieler Mitarbeiter aus seiner Zeit als Labour-Parteichef, zum Beispiel seiner ehemaligen Stabschefin, Karie Murphy, und der Leiterin von Corbyns Peace and Justice Project, Pamela Fitzpatrick.

Zu dieser alten Garde kommt nun noch Sultana hinzu, die die neue Generation der Corbyn-nahen Abgeordneten repräsentiert, die 2017 ins Parlament einzogen, sowie auch Corbyns Independent Alliance, bestehend aus vier weiteren Abgeordneten, die ausschließlich wegen ihres Widerstands gegen den Völkermord in Gaza gewählt wurden und zuvor nicht für linke Politik eingetreten waren. Von einem von ihnen, Ayoub Khan, ist bekannt, dass er einmal bei der stellvertretenden Labour-Premierministerin Angela Rayner angefragt hatte, ob man angesichts des anhaltenden Streiks der Müllabfuhr in Birmingham nicht das Militär zur Straßenräumung einsetzen könne.

Dieser Apparat wird dafür zuständig sein, dass beim Gründungsparteitag nur ein Programm mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner verabschiedet wird. Es wird nicht über die minimalen Sozialreformen hinausgehen, die Labour unter Corbyn in ihren Wahlprogrammen 2017 und 2019 angekündigt hatte.

Die SWP, die RCP und andere haben dazu beigetragen, diese Fragen zu vertuschen. Sie haben sich unter Arbeitern und Jugendlichen für die Glaubwürdigkeit von Your Party eingesetzt. Gleichzeitig haben sie Corbyn und Sultana umworben, um sich eine Nische im Apparat der zukünftigen Partei zu sichern.

Corbyn und seine Verbündeten arbeiten daran, die neue Organisation – deren massiver Rückhalt sie alarmiert hat – fest unter ihre Kontrolle zu bringen. Ihre Reaktion auf Sultanas Vorgehen – sie innerhalb weniger Stunden aufgrund von Datenschutzgesetzen strafrechtlich verfolgen zu lassen – ist verabscheuungswürdig.

Jeremy Corbyn beim Summit of Resistance im März 2025

Doch auch Sultana hat die Your Party-Unterstützer seit Monaten hinters Licht geführt und verschwiegen, wer die Partei führen werde. Sie hat sich nur darüber beklagt, dass ihre Aufnahme in eine führende Rolle auf Widerstand gestoßen sei.

Statt sich politisch mit Corbyns Blockade einer neuen Partei auseinanderzusetzen, stellte sie ihn vor vollendete Tatsachen, als sie bei ihrem Austritt aus der Labour Party am 3. Juli die Gründung der neuen Partei bekanntgab. Später erklärte sie, der Corbynismus habe vor der Hetzkampagne gegen Antisemitismus „kapituliert“, passte aber ihre Aussagen sorgfältig an, um einen offenen Bruch zu verhindern, und gab ausschließlich Corbyns Beratern die Schuld.

Die Eröffnung ihres Mitgliedschaftsportals war ein weiterer Versuch, Corbyns Unnachgiebigkeit zu umgehen, ohne sie öffentlich herauszufordern. Doch Corbyn und seine Verbündeten reagierten auf ihren Bluff, indem sie sie den Wölfen zum Fraß vorwarfen.

Eine Versöhnung, die jedenfalls völlig prinzipienlose wäre, ist zwar möglich, aber äußerst unwahrscheinlich. Zudem hat das Debakel dem Projekt Your Party schon jetzt schweren Schaden zugefügt. Arbeiter und Jugendliche werden schockiert sein, und viele, die in der Initiative einen Weg vorwärts gesehen haben, werden sich enttäuscht abwenden.

Die sozialistische Antwort besteht nicht darin, in den Chor der Verzweiflung der Pseudolinken einzustimmen, sondern die notwendigen politischen Lehren zu ziehen und entsprechend zu handeln.

Es geht nicht darum, sich in diesem prinzipienlosen Gerangel für eine Seite zu entscheiden. Es gibt keine unschuldige Seite, die in irgendeiner Form die demokratischen Rechte der Mitglieder verteidigt. Die Socialist Equality Party hat in einer Polemik mit der RCP bereits Trotzkis Beschreibung der Labour-Linken in einer früheren Zeit zitiert, als er sie als „Ausdruck einer Verschiebung, aber auch deren Bremse“ bezeichnete.

Wie Trotzki damals betonte und wir heute betonen, fungieren die „linken“ Corbyn-Anhänger als politische Bremse für die Arbeiterklasse.

Unter der Führung der Corbyn-Anhänger – und niemand hat je angedeutet, dass es eine andere Führung geben werde – ist Your Party keine Partei, die man dazu drängen könnte, „grundlegende sozialistische Prinzipien“ anzunehmen, geschweige denn ein „revolutionäres Programm“, wie es die SWP und die RCP behaupten. Sowohl die Corbyn- als auch die Sultana-Fraktion befürworten – trotz ihrer militanteren Rhetorik – eine Labour Party 2.0. Diese würde für ein paar begrenzte Reformen stehen, die lediglich der politischen Entwaffnung der Arbeiterklasse dienen.

Für den Rechtsruck und den Zusammenbruch von Labour und allen sozialdemokratischen Parteien waren nicht ihre schlechten Führer, sondern Veränderungen im Weltkapitalismus verantwortlich. Sie haben bewirkt, dass der nationale Reformismus obsolet geworden ist.

Aufgrund der Globalisierung, der sinkenden Profitraten und der massiven, wuchernden Zunahme von Finanzspekulationen sind bedeutsame Sozialreformen nicht mehr mit der Verteidigung des Profitsystems vereinbar. Auf der Tagesordnung des Weltkapitalismus stehen Handelskrieg und Krieg um die Kontrolle über essenzielle Rohstoffe und Märkte sowie Klassenkrieg im Inland, um die brutale Ausbeutung und Zerstörung lebenswichtiger Sozialleistungen durchzusetzen, damit dieser globale Konflikt möglich gemacht wird.

Die Arbeiterklasse muss politisch unabhängig in einem Kampf gegen den Kapitalismus und für den Sozialismus mobilisiert werden, frei von der Kontrolle der „linken“ Repräsentanten der Labour- und Gewerkschaftsbürokratie.

Eine Partei, die einen solchen Kampf führen kann, muss ihre Wurzeln in den Lehren der Geschichte haben und gefestigt sein im jahrzehntelangen Kampf für sozialistische politische Prinzipien. Es ist an der Zeit, den Kampf für die sozialistische Weltrevolution aufzunehmen und der Socialist Equality Party, der britischen Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, beizutreten.

Die Grundsatzerklärung der Socialist Equality Party ist hier zu finden.

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