In der jüngsten Erklärung der Socialist Equality Party (US), die zur Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen die Trump-Regierung aufruft, heißt es:
[Es ist] notwendig, alle Hoffnungen und die Selbsttäuschung abzulegen, es handle sich bei der aktuellen Entwicklung um etwas anderes als den Versuch, eine Präsidialdiktatur, gestützt auf Militär, Polizei, paramilitärische Kräfte und faschistische Banden, zu errichten. Der wesentliche Zweck von Charlie Kirks Glorifizierung besteht darin, ein Märtyrersymbol zu schaffen, um die reaktionärsten Kräfte des Landes zu entfesseln.
Diese Tatsache zeigte sich deutlich bei der Gedenkfeier für Kirk am Sonntag in Glendale, Arizona. Was sich dort abspielte, ist beispiellos in der amerikanischen Geschichte: die Mobilisierung der faschistischen Rechten, orchestriert auf höchster Ebene des Weißen Hauses.
Das Spektakel der Reaktion fand ihren Höhepunkt mit der Rede von Donald Trump. In einer wütenden Tirade rief er: „Ich hasse meine Feinde“ – eine außergewöhnliche Aussage eines amerikanischen Präsidenten über seine innenpolitischen Gegner. Sie ist besonders bedrohlich, wenn sie von einem Präsidenten kommt, der jeden auf seine Feindesliste gesetzt hat, der seine Politik ablehnt.
Trump behauptete, Kirks letzte Worte an ihn seien ein Appell gewesen, das Militär nach Chicago zu schicken, um die Stadt vor Kriminalität zu „retten“, und er habe versprochen, das zu tun. Er kündigte an, den Einsatz militärischer Gewalt gegen die amerikanische Bevölkerung zu verstärken, mit Fokus auf die großen Städte. Auch wiederholte er die Lüge, dass die „Gewalt größtenteils von der Linken ausgeht“.
Am Tag nach Kirks Beerdigung unterzeichnete Trump eine offizielle Verordnung, in der er die Antifa zu einer „inländischen terroristischen Organisation“ erklärte. Da die Antifa in Wirklichkeit keine richtige Organisation ist, schafft diese Verordnung die Grundlage dafür, linke Gegner des Faschismus mit den Methoden des „Kriegs gegen den Terror“ zu verfolgen.
Trump schloss seine Rede mit dem Versprechen, „die Religion nach Amerika zurückzubringen, denn ohne Grenzen, Recht und Ordnung und Religion hat man wirklich kein Land mehr“. Der Slogan des faschistischen Italiens war prägnanter: Dio, Patria, Famiglia.
Jeder Anschein einer Trennung von Kirche und Staat wurde bei der Kundgebung in Arizona vollständig zunichte gemacht. Verweise auf Kirk als einen modernen Jesus Christus waren allgegenwärtig. Kriegsminister Pete Hegseth erklärte: „Nur Christus ist König.“ Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. zog die deutlichste Parallele: „Christus starb im Alter von 33 Jahren. Aber er hat den Lauf der Geschichte verändert. Charlie starb im Alter von 31 Jahren, aber ... auch er hat jetzt den Lauf der Geschichte verändert.“
Offene Forderungen nach einer christlichen Theokratie kamen vom faschistischen Podcaster Benny Johnson. Er zeigte auf die anwesenden Trump-Vertreter und erklärte: „Gott hat sie eingesetzt. Gott hat ihnen Macht über unsere Nation und unser Land gegeben.“
Immer wieder riefen Redner nach Rache. Vielleicht am schärfsten äußerte sich Stephen Miller, der stellvertretende Stabschef des Weißen Hauses und zentrale Mann hinter dem Aufbau einer Präsidialdiktatur. Wie eine Trump-Version von Joseph Goebbels brüllte er die Gegner der Regierung an: „Was habt ihr? Ihr habt nichts. Ihr seid nichts. Ihr seid Bosheit, ihr seid Neid, ihr seid Hass. Ihr seid nichts. Ihr könnt nichts aufbauen. Ihr könnt nichts produzieren. Ihr könnt nichts erschaffen. Wir sind diejenigen, die aufbauen. Wir sind diejenigen, die etwas schaffen. Wir sind diejenigen, die die Menschheit erheben.“
Miller paraphrasierte eine Hommage von Goebbels an den SA-Sturmführer Horst Wessel in der Rede „Der Sturm bricht los“ von 1932. Miller sagte: „Wir sind der Sturm. Und unsere Feinde können unsere Stärke nicht begreifen.“
Was Miller hier zum Ausdruck bringt, ist die Selbsttäuschung der kapitalistischen Finanzoligarchie, der Milliardäre, die sich einbilden, dass sie und nicht die Arbeiterklasse die treibende Kraft des menschlichen Fortschritts sind. Aber es ist die menschliche Arbeit, mithilfe der Wissenschaft und Technologie, die die Möglichkeit einer neuen Welt der Freiheit und des Wohlstands für alle schafft. Die profitgierige Kapitalistenklasse bietet der Menschheit nur immer größeres Massenelend, Diktatur und Weltkrieg.
Wenn der Faschismus nach Amerika kommt, dann „in die amerikanische Flagge gehüllt und ein Kreuz tragend“. Diese Aussage wird häufig Sinclair Lewis zugeschrieben, obwohl sie in seinem großen dystopischen Roman It Can’t Happen Here nicht wörtlich steht. Die Kundgebung für Kirk zeigt aber die Weitsichtigkeit von Lewis. Er schildert den Aufstieg eines amerikanischen faschistischen Machthabers, der religiöse Beschwörungen und Versprechen einer jahrhundertelangen amerikanischen Vorherrschaft über die Welt miteinander verbindet. Was Trump, Vance, Miller & Co. anbieten, ist Hitlers „Tausendjähriges Reich“, nur in Rot, Weiß und Blau.
So außergewöhnlich die Kundgebung selbst auch war, vielleicht noch bedeutender ist die Reaktion oder Nicht-Reaktion der Medien und der Demokratischen Partei. Die amerikanische Presse hat das Spektakel am Sonntag wie ein routinemäßiges politisches Ereignis behandelt. In ihrer Berichterstattung werden Begriffe wie „Faschist“, „Rassist“ oder „Antisemit“ sorgfältig vermieden, nicht nur bei der Beschreibung von Charlie Kirk, sondern auch bei der Aufzählung der Faschisten, Rassisten und Antisemiten, die zu seinen Ehren gesprochen haben. Mehr als 24 Stunden später hatten weder die New York Times noch die Washington Post Leitartikel zu der Kundgebung veröffentlicht.
Angesichts der vierstündigen, von den Nazis inspirierten Hetzreden konnte kein führender Demokrat, einschließlich Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez, auch nur eine oberflächliche Kritik aufbringen. „Demokraten schweigen, während Republikaner nach Charlie Kirks Gedenkfeier mobilisieren“, titelte daher der Guardian.
Die britische Zeitung erklärt dieses Schweigen so: „Die Demokraten reagierten vorsichtig auf die Gedenkfeier, weil sie sich bewusst waren, dass jeder Anflug von Kritik falsch interpretiert und ausgenutzt werden könnte.“ Sie zitiert den Historiker Jon Meacham, der erklärt, dass die Demokraten Gefahr liefen, beschuldigt zu werden, „den Kontakt zum christlichen Kernland Amerikas verloren zu haben“ – wie der Guardian formulierte.
Das heißt, die Demokraten rechtfertigen ihr Schweigen mit der Fiktion, dass es unpopulär wäre, wenn sie aufdecken würden, dass Trump eine theokratisch-faschistische Diktatur zu errichten versucht. In Wirklichkeit lehnt die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung diese Agenda ab.
Feigheit ist ein wesentlicher Grund für die ausbleibende Reaktion der Demokraten auf die Kundgebung in Arizona sowie ihre vorherige Unterstützung einer Resolution zu Ehren des Faschisten Kirk. Grundlegender ist jedoch ihre Angst vor einer Bewegung von unten, denn sie würde unweigerlich die Frage aufwerfen, wer die Gesellschaft regieren sollte: die kapitalistische Oligarchie oder die breite Masse der arbeitenden Bevölkerung?
Die Wende hin zu einer autoritären Herrschaft vollzieht sich unter Bedingungen, in denen sich die soziale Lage der Arbeiter rapide verschlechtert: Die Löhne werden durch die Inflation aufgefressen, Familien versinken in Schulden, das öffentliche Gesundheits- und Bildungswesen wird demontiert und es gibt eine endlose Welle von Todesfällen am Arbeitsplatz. Die herrschende Elite fürchtet sich vor Massenwiderstand und bereitet sich darauf vor, ihn im Voraus zu unterdrücken.
Das ist keine Krise, die nur Amerika betrifft. Die gleichen Bedingungen herrschen in unterschiedlichem Ausmaß in allen großen kapitalistischen Ländern. In Frankreich beispielsweise hat ein bescheidener Vorschlag für eine Steuer von 2 Prozent auf Vermögen von mehr als 100 Millionen Euro Empörung bei Milliardären wie Bernard Arnault, CEO der Luxusmarke LVMH, ausgelöst, der ihn als „wahnsinnig“ und „kommunistisch“ verurteilte.
Französische Kapitalisten betrachten, wie ihre amerikanischen Kollegen, selbst den kleinsten Eingriff in ihr Eigentum als existenzielle Bedrohung. Die gleiche Dynamik ist in den USA am Werk: Sobald sich Massenwiderstand entwickelt, wird der Konflikt nicht innerhalb der Grenzen der parlamentarischen Debatte bleiben, sondern sofort den Reichtum und die Macht der herrschenden Elite bedrohen. Das kapitalistische System, nicht die Persönlichkeit von Donald Trump, ist die treibende Kraft hinter dem Aufbau eines autoritären Regimes.
Die einzige ernsthafte Frage in der amerikanischen Politik ist heute, wie diese Entwicklung hin zur Diktatur aufgehalten werden kann. Das wird nicht über die Demokratische Partei, den Kongress oder die Gerichte möglich sein – alles Institutionen, die bereits ihre Ohnmacht oder Komplizenschaft unter Beweis gestellt haben. Die notwendige Antwort ist der Aufbau einer politisch unabhängigen Massenbewegung der Arbeiterklasse, die sich des Ausmaßes der Bedrohung bewusst ist und bereit ist, nicht nur gegen Trump, sondern auch gegen das kapitalistische System zu kämpfen, das ihn hervorgebracht hat.