Die Piloten der Lufthansa haben sich mit großer Mehrheit für einen Streik ausgesprochen. Doch während 9 von 10 Piloten den Streik befürworten, unternimmt die Vereinigung Cockpit alles, um diesen zu unterbinden.
Die Piloten der größten deutschen Airline aus dem Passagierbetrieb stimmten mit 88 Prozent, ihre Kollegen aus der Frachtsparte Lufthansa Cargo sogar mit 96 Prozent für einen Arbeitskampf. Die Beteiligung an der Urabstimmung betrug über 90 Prozent.
Die verbreitete Unzufriedenheit, die in dem Votum zum Ausdruck kommt, richtet sich aktuell insbesondere gegen den Umgang des Konzerns mit der Betriebsrente der Beschäftigten. Seit der Konzern im Jahr 2017 die Betriebsrente umgekrempelt hat, haben die Piloten deutliche Verschlechterungen hinnehmen müssen. So gibt Lufthansa nicht länger eine Garantie für die Höhe der im Alter ausgezahlten Rente, sondern garantiert nur noch, in einer gewissen Höhe in den betriebsinternen Fonds einzuzahlen. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben bewiesen, dass das Niveau der Rente dadurch bedeutend gesenkt wurde. Deshalb fordert die Pilotengewerkschaft „Vereinigung Cockpit“ (VC) eine Verdreifachung des Arbeitgeberbeitrags zur Rente.
Zudem ist das kapitalmarktfinanzierte Modell, das eingeführt wurde, nicht nur sämtlichen Schwankungen des Marktes ausgesetzt. Auch ein Komplettausfall der Rente ist angesichts der allgegenwärtigen kapitalistischen Krise kein unwahrscheinliches Szenario.
Die vergangenen und die geplanten Kürzungen bei den Piloten fließen direkt in den Gewinn der Aktionäre. Der Nettogewinn der Lufthansa betrug laut letztem Geschäftsbericht 1,4 Milliarden Euro. Bei einem Umsatz von 37,6 Milliarden Euro ergab sich eine Umsatzrendite von rund 4,4 Prozent.
Das ist dem Konzern zu wenig. Schon ab 2028 soll die Gewinnmarge auf 8 bis 10 Prozent steigen und damit „die historischen Ergebnisse der Lufthansa Group übertreffen“, wie der Konzern auf einer Investorenkonferenz in München versprach. Daher kündigte Lufthansa an, 4.000 Arbeitsplätze in der Verwaltung zu streichen, was zusätzliches Öl ins Feuer goss. Viele der Jobs dürften in der Frankfurter Zentrale des Kranich-Konzerns wegfallen.
Der Abbau der Arbeitsplätze soll durch Digitalisierung, Automatisierung und Bündelung der Arbeitsprozesse möglich gemacht werden, unter anderem durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz. Damit wird die KI, die der Erleichterung der Arbeit dienen könnte, in der gegenwärtigen profitorientierten Wirtschaft einmal mehr gegen die Arbeiter eingesetzt.
Wenn also der Chef von Lufthansa Airlines, Jens Ritter, behauptet, dass eine Aufstockung der Betriebsrente „schlichtweg nicht bezahlbar“ sei, meint er, dass die Aktionäre und ihre Manager im Vorstand ihre Einkommen erhöhen wollen – auf Kosten der Arbeitsplätze, Löhne und Renten der Piloten und aller Beschäftigten. Gleichzeitig drohte Ritter allen Piloten, die an das Aufbegehren denken: Wenn sie die Forderung nach Erhalt ihrer Renten tatsächlich durchsetzen würden, bliebe „keine Alternative, als weitere Flugzeuge in profitablere Flugbetriebe zu verlagern“.
Diese Drohung bezieht sich auf eine bereits gängige Praxis des Konzerns, die unter den Beschäftigten ebenfalls für Wut sorgt. Durch die Neugründung von Tochtergesellschaften wie der Discover Airlines oder der Lufthansa City Airlines (vormals „CityLine“) umgeht die Lufthansa die Tarifverträge der Kernmarke. Dem Personal beispielsweise der CityLine wird angeboten, entweder zu deutlich schlechteren Bedingungen bei City Airlines zu schuften – oder zu gehen.
Die Umstrukturierung im Interesse der Aktionäre betrifft mehr als 100.000 Beschäftigte der Lufthansa Group, zu der neben der Kernmarke Lufthansa (Deutschland) unter anderem Austrian Airlines (Österreich), Swiss (Schweiz), Brussels Airlines (Belgien) und ITA Airways (Italien) gehören.
Die Spaltung der Beschäftigten in unterschiedliche Airlines und sogar innerhalb der Airlines zwischen Verwaltungs-, Boden- und Flugpersonal schadet einzig und allein den Interessen der Beschäftigten. Wenn die Piloten, das Boden-, Flug- und Verwaltungspersonal ihre Arbeitsplätze, Gehälter und Renten verteidigen wollen, müssen sie den engen von den Gewerkschaften gesetzten Rahmen durchbrechen. Egal ob VC, UFO (Unabhängige Flugbegleiter Organisation) oder Verdi, alle gewerkschaftlichen Organisationen arbeiten auf das Engste mit der Konzernspitze zusammen und ebnen mit ihren Abschlüssen den Weg für immer weitere Angriffe.
So hatte VC im Jahr 2017 selbst die Umstellung der Altersversorgung von einem System garantierter Rentenauszahlungen auf feste Beiträge vereinbart. Vor acht Jahren hatte man zudem nach 14 Streiks der Piloten eingewilligt, dass Flugkapitäne erst mit sechzig anstatt mit 55 in Rente gehen. Bei den Gehältern habe man in den letzten Jahren 15 Prozent Kürzungen akzeptiert, jammert heute der Sprecher der Tarifkommission Arne Karstens und beklagt die Undankbarkeit des Konzerns. UFO hatte dies für das Kabinenpersonal schon in 2016 vereinbart. Die Lufthansa hat dadurch Milliarden eingespart, die in die Boni der Manager und die Dividendenausschüttungen für die Aktionäre flossen.
In der Grundfrage stimmt VC auch jetzt völlig mit dem Konzern überein. Am Grundprinzip wolle man festhalten, erklärt Karstens im Interview mit aero.de. „Wir bleiben beim kapitalmarktorientierten System.“ Nicht die Rentenhöhe wird zugesichert, sondern „es bleibt bei zugesicherten Einzahlungen“. Er beklagt, dass nicht VC, sondern Verdi in der „Gunst der Arbeitgeberseite“ stehe, obwohl die Piloten seit 2017 „die geringsten Streikkosten verursacht“ haben.
Die Spartengewerkschaft, von den Piloten vor über 50 Jahren als nicht so korrupte Interessenvertretung gegründet, erweist sich heute als genauso bankrott wie Verdi und andere DGB-Gewerkschaften. Während sich 9 von 10 Piloten für einen Streik aussprechen, unternimmt VC alles, um gerade das zu verhindern.
Sie erklärt das Votum zur bloßen Verhandlungsmasse in den Gesprächen mit der Konzernleitung. Jetzt müsse der Konzern die Belegschaft ernst nehmen und „endlich ein verhandlungsfähiges Angebot zur betrieblichen Altersversorgung“ vorlegen, so Karstens. „Das Ergebnis ist ein starkes Signal der Geschlossenheit unserer Mitglieder“, erklärte der VC-Präsident Andreas Pinheiro. „Die Pilotinnen und Piloten stehen klar hinter den Forderungen und ihrer Tarifkommission.“
Das ist falsch. Das Ergebnis ist ein starkes Signal, Streiks zu organisieren. Das tut Cockpit aber nicht. Die Gewerkschaft hat sieben Verhandlungsrunden mit der Lufthansa-Spitze geführt und fordert nun trotz Streikvotum die achte.
Weltweit machen Beschäftigte die gleichen Erfahrungen. Die Gewerkschaftsspitzen agieren als Kontrollorgane des Managements und isolieren Arbeitskämpfe, statt sie zu koordinieren. Sie verteidigen das kapitalistische System und verhindern so eine wirkliche Mobilisierung und Solidarisierung der Beschäftigten.
So hatten im August die Flugbegleiter bei Air Canada ihre Kampfbereitschaft bewiesen und sich über ein Streikverbot der Regierung hinweggesetzt. Doch die Gewerkschaft CUPE sabotierte den Streik und kapitulierte etwas später schändlich vor Regierung und Konzern.
Erst vor wenigen Tagen hat ein Gericht in Griechenland den Fluglotsen und anderen Beschäftigten der Luftfahrt die Teilnahme am Generalstreik verboten und die Gewerkschaft hat es akzeptiert.
Die Lehren für die Lufthansa-Piloten und alle Arbeiterinnen und Arbeiter weltweit sind klar. Der Kampf für existenzsichernde Löhne und Renten und die Verteidigung der Arbeitsplätze dürfen nicht VC, UFO, Verdi oder einer anderen nationalistischen und prokapitalistischen Gewerkschaft überlassen werden. Stattdessen müssen unabhängige Aktionskomitees aufgebaut werden, die direkt von den Beschäftigten kontrolliert werden und branchen- und länderübergreifend vernetzt sind. Diese Komitees müssen sich auf ein politisches Programm stützen, das die Unterordnung menschlicher Bedürfnisse unter den Profit der Konzerne ablehnt.
Als erstes müssen die Lufthansa-Piloten den VC-Funktionären die Kontrolle über den Kampf entreißen, um zu verhindern, dass sie ihn verraten. Die VC will keinen Streik. Wir rufen alle Beschäftigten der Lufthansa auf, uns dazu zu kontaktieren. Schreibt uns eine WhatsApp und registriert euch direkt über das untenstehende Formular.
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