ZF Friedrichshafen: IG Metall, Betriebsrat und Management vereinbaren Arbeitsplatzabbau und Lohnsenkungen

In dieser Woche haben Betriebsräte und IG Metall die bundesweit über 50.000 Beschäftigten beim Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen über den mit der Konzernspitze vereinbarten Abbau von Arbeitsplätzen und Löhnen abstimmen lassen. Das Votum wird am Montag bekannt gegeben.

4.500 ZF-Beschäftigte protestieren in Schweinfurt (29. Juli 2025) [Photo by IGM Schweinfurt]

Der Konzern hatte bereits letztes Jahr einen Abbau von 14.000 Stellen angekündigt. Der Vorstand drohte damit, die Antriebssparte, intern Division E genannt, auszugliedern und zu verkaufen. Hier arbeiten weltweit 30.000, in Deutschland 20.000 Menschen. Die Belegschaften hatten bundesweit dagegen protestiert.

Nun bleibt die Antriebssparte im Konzern, aber Arbeitsplätze und Löhne werden massiv abgebaut. Das letzte Woche vorgestellte Ergebnis der Vereinbarung sieht die Vernichtung von 2.200 Stellen in den nächsten zwei Jahren vor. Einsparungen bei Löhnen und Gehältern bringen dem Konzern laut eigenen Angaben bis 2027 eine halbe Milliarde Euro ein. Eine Beschäftigungssicherung gibt es hingegen nicht, nicht einmal den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen.

Die Arbeitszeit der Beschäftigten in der Antriebssparte (20.000) und aller Beschäftigten an den Standorten Schweinfurt (8.600) und Friedrichshafen in der Verwaltung, Forschung & Entwicklung (4.300) wird bis 31.12.2027 um 7 Prozent auf 32,5 Stunden pro Woche reduziert, mit entsprechender Gehaltskürzung.

Für alle in Deutschland beschäftigten über 50.000 Arbeiterinnen und Arbeiter wird die Tariferhöhung von 3,1 Prozent vom April auf Oktober 2026 verschoben.

Tarifliche Zusatzgelder (T-ZUG A, T-ZUG B) müssen in den kommenden drei Jahren in zusätzliche freie Tage gewandelt werden, Geld gibt es nicht. Auch andere Lohnbestandteile wie eine Transformationsbaustein genannte Sonderzahlung oder Zahlungen im Rahmen von Leistungsbewertungen entfallen in diesem Zeitraum.

Diese Kürzungen sowie der Stellenabbau in 2025 kompensieren den vom Vorstand geforderten Abbau von 7.600 Arbeitsplätzen bis 2030 in der Antriebssparte jedoch nicht ganz. In den nächsten zwei Jahren werden daher weitere 2.200 Arbeitsplätze abgebaut. Seit Anfang 2024 wurden bereits rund 5.700 Stellen in Deutschland insgesamt beseitigt. Allein in diesem Jahr wurden am Standort Saarbrücken mindestens 1.800 Stellen gestrichen, in Schweinfurt fast 1000.

Die Arbeitsplätze in der Division E sollen über ein mehrstufiges Verfahren abgebaut werden. Zunächst greift ein Abfindungsprogramm – scheidende Beschäftigte unter 60 Jahren erhalten 1,25 Monatsentgelte je Beschäftigungsjahr. Älteren werden Altersteilzeitprogramme offeriert. Zudem sollen Vermittlungen innerhalb des Konzerns, Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote sowie gegebenenfalls eine Transfergesellschaft angeboten werden.

Das erste Freiwilligenprogramm beginnt am 15.10.2025 und endet am 15.12.2025. Wenn in den einzelnen Standorten bis dahin nicht genügend Kolleginnen und Kollegen gehen, wobei die Zielzahlen von lokalen Betriebsräten und Geschäftsleitungen festgesetzt werden, treten diese zusammen und „beraten, ob der Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen doch noch durch alternative Möglichkeiten der Kapazitätsanpassung innerhalb des Zielkorridors verhindert werden kann.“

Finden diese „innerhalb von vier Wochen“ keine Lösung, wird ein weiteres Beratungsgremium angerufen, das sogenannte SteerCo, kurz für Steering Committee, deutsch Steuerungskomitee. Das besteht aus zwei Mitgliedern des Vorstands, dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden und einem Vertreter der IG Metall.

Findet auch dieses keine Lösung, findet die „Ultima Ratio“ Anwendung: Betriebsbedingte Kündigungen.

Vorstandschef Mathias Miedreich, der am 1. Oktober die Nachfolge von Holger Klein als ZF-Chef antrat, betonte an diesem Tag auf einer Pressekonferenz: „Für mich ist es wichtig zu sagen, dass das ein wirkliches Bündnis ist, bei dem tatsächlich alle Beteiligten an einem Strang gezogen haben.“

Die weiteren Anwesenden, Arbeitsdirektorin Lea Corzilius, Betriebsratschef Dietrich und die Friedrichshafener IGM-Bevollmächtigte Helene Sommer, Tochter des ehemaligen DGB-Chefs Michael Sommer und Ehefrau von Dietrich, stimmten dem zu.

Dietrich selbst schreibt in einer Broschüre, in der das „Bündnispapier“ zusammengefasst wird, an die lieben Kolleginnen und Kollegen: „Mit dem Bündnis haben wir eine Chance, die ZF in eine sichere Zukunft zu führen – mit den Kolleginnen und Kollegen der Division E als integraler Bestandteil des Konzerns. Dafür müssen wir teils schmerzhafte Zugeständnisse machen.“ Er sei im Ergebnis dennoch davon überzeugt, „dass wir diesen Weg gemeinsam gehen sollten“. „Für eine sichere Zukunft für die ZF, die Beschäftigten und unsere Familien.“

Es ist das altbekannte Vorgehen. Ein Konzern kündigt den Abbau einer hohen Anzahl von Arbeitsplätzen an, bei ZF 14.000 bis 2028. Anschließend beklagt sich der IGM-Apparat über das einseitige Vorgehen, organisiert Proteste, nur um anschließend die durch den Abbau geforderten Kosten auf andere Weise einzusparen. So ist die Kostenreduzierung, die der Abbau von 14.000 Arbeitsplätzen bei ZF bedeutet hätte, bereits Ende 2026 und nicht erst 2028 fast vollständig umgesetzt.

Ob es in den kommenden Jahren noch weitere Kürzungen gibt, ist nicht ausgeschlossen. In zahlreichen Bereichen stehen Entscheidungen an, die nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben wurden. So ist die Rede davon, dass die Ausgliederung der gesamten Division E „vom Tisch“ sei. Ausgliederungen für Teile der Division E (z. B. E-Mobilität) werden aber weiterhin zwischen Vorstand und Gewerkschaft und Betriebsrat erörtert. „Es erfolgt keine […] Ausgliederung, bevor ein möglicher Partner und ein entsprechendes wirtschaftliches Konzept vorliegen.“

„Die in der strategischen Planung vom Vorstand angestrebten Verlagerungen von Produkten und Produktionsumfängen an sogenannte Best-Cost-Countries“, heißt es zur Verlagerung in Billiglohnländer, „sind nicht Teil dieser Vereinbarung und müssen ohne Vorfestlegung bis 15.12.2025 an den betroffenen Standorten verhandelt werden.“

Auch die Eigenentwicklung und -fertigung von E-Motoren und Invertern, die Gleichstrom aus Batterien in Wechselstrom für E-Motoren wandeln, wird „ergebnisoffen“ gesondert geprüft.

An allen „Standorten der anderen Divisionen arbeiten die Betriebsparteien an Zielbildern“, sprich an ständigen Kostensenkungsprogrammen.

In der Vereinbarung zwischen Konzern und Gewerkschaft heißt es: „Gemeinsames Ziel ist es, ZF als einen fokussierten und entschuldeten Technologieführer mit gegebenenfalls starken Ökosystempartnerschaften zu etablieren und die DIV[ision] E im Kern in der ZF fortzuführen.“

Das ist in Bezug auf die Arbeitsplätze – „im Kern“ – sehr schwammig und kann daher dennoch den Abbau der meisten der 20.000 Arbeitsplätze der Divison E bedeuten. In Bezug auf die Schulden, die ZF plagen – „entschuldet“ –, ist die Vereinbarung dagegen sehr präzise.

Die Netto-Verschuldung des Unternehmens soll sich Mitte 2025 auf rund 10,5 Milliarden Euro belaufen. Das soll nun auf dem Rücken der Belegschaften eingespart werden. Die hohen Schulden von ZF stammen hauptsächlich aus früheren Übernahmen, insbesondere des US-Autozulieferers TRW 2015 und des Bremsenspezialisten Wabco 2020, die in Zeiten der Niedrigzinsphase vor der Corona-Pandemie übernommen wurden. Die anschließende Zinswende hat zu einem deutlichen Anstieg der Zinskosten geführt, so dass jährlich mehrere Hundert Millionen Euro an Gläubiger gezahlt werden müssen.

Weil die Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre diesen gesamten kapitalistischen Rahmen verteidigen, arbeiten sie auch die Mechanismen und Bedingungen aus, um die Schulden bei den Belegschaften einzutreiben und die Profitabilität von ZF sicherzustellen.

Sie bezeichnen Angriffe als „schmerzhafte Zugeständnisse“ und nennen sie alternativlos. Doch das gilt nur so lange, wie man den Kapitalinteressen den Vorrang gegenüber den Belegschaftsinteressen einräumt.

Damit muss gebrochen werden. Nicht die mehreren Hundert Millionen Euro, die ZF jedes Jahr an die Gläubigerbanken zahlt, dürfen das oberste Ziel der Produktion sein. Die Produktion und Wirtschaft insgesamt muss in den Dienst der arbeitenden Bevölkerung gestellt werden, bei ZF in den Dienst der über 50.000 Beschäftigten in Deutschland und der 160.000 weltweit. Die Zahnradfabrik Friedrichshafen ist in 110 Jahren durch Generationen von Arbeitern aufgebaut worden, die Beschäftigten sind die Quelle aller Einnahmen.

Die WSWS und die Sozialistische Gleichheitspartei schlagen daher die Gründung von Aktionskomitees vor, die sich diesen Grundsatz zu eigen machen: Belegschaftsinteressen vor Kapitalinteressen. Aufgrund der internationalen Arbeitsteilung und Vernetzung der Produktion ist es notwendig, dieses Prinzip mit den Kolleginnen und Kollegen an allen Standorten in aller Welt zu erkämpfen – gemeinsam mit denen anderer Konzerne und Branchen.

Das wiederum schließt die Gewerkschafts- und Betriebsratsfunktionäre von diesen Aktionskomitees von vornherein aus. Sie verteidigen vehement den Kapitalismus und den Vorrang der Profitinteressen. Ihr oberstes Ziel ist die „Wettbewerbsfähigkeit“. Daher lehnen sie auch jede grenzüberschreitende Maßnahme ab und arbeiten stattdessen an der Spaltung der Belegschaften, daran, die Kosten unter die der „Best-Cost-Länder“ zu drücken. So nehmen die Angriffe kein Ende.

Wer das nicht länger hinnehmen möchte, meldet sich per Whatsapp unter +491633378340 und füllt das untenstehende Formular aus.

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