Macron beschleunigt Diktaturpläne und beruft erneut die schon gestürzte Regierung Lecornu

In einem Akt unverhohlener Verachtung für die französische Bevölkerung gab Präsident Emmanuel Macron am späten Freitagabend bekannt, Sébastien Lecornu zum Premierminister zu ernennen. Zuvor war Lecornu am Montag, den 6. Oktober, nach dem Zusammenbruch seiner Regierungskoalition zurückgetreten. Macrons Konsultationen der letzten Woche mit den französischen Parlamentsparteien haben sich einfach als Verzögerungstaktik erwiesen, um eine gestürzte Regierung an der Macht zu halten.

In den französischen Medien kursierten zuvor Pläne, dass Macron einen Deal mit Kräften aus Jean-Luc Mélenchons Neuer Volksfront (NFP) schließen werde. Zwar forderte Mélenchons Partei „La France insoumise“ (LFI) weiterhin Macrons Rücktritt, aber fast alle anderen Parteien der NFP beeilten sich, mit dem verhassten „Präsidenten der Reichen“ zu verhandeln. Die bürgerliche Sozialistische Partei (PS), die Grünen und die stalinistische Kommunistische Partei Frankreichs (PCF) eilten alle zum Élysée-Palast, um Macron um den Zugang zur Macht zu bitten.

„Fassungslos“ erfuhren sie am Freitagnachmittag, dass Macron ihre Avancen zurückwies und ihnen das Amt des Premierministers verwehrte, obwohl die NFP bei den letzten Parlamentswahlen im Juli 2024 den ersten Platz belegt hatte. „Wir kamen fassungslos aus dem Treffen“, sagte die Vorsitzende der Grünen, Marine Tondelier, als sie den Elysée-Palast verließ. „Wir haben keine Antwort erhalten, außer dass der Premierminister, der in den nächsten Stunden ernannt wird, nicht aus unserem politischen Lager kommen wird.“

Um 22 Uhr veröffentlichte der Elysée-Palast ohne weitere Erklärungen ein zweizeiliges Kommuniqué mit folgendem Wortlaut: „Der Präsident der Republik hat Herrn Sebastien Lecornu zum Premierminister ernannt und ihn mit der Bildung einer Regierung beauftragt.“

Macron und die kapitalistische Oligarchie nutzen den politischen Bankrott der NFP aus, um sie vor eine vergiftete Wahl zu stellen. Mélenchon hatte betont, Opposition könne nicht in Form von Klassenkampf, sondern nur als „Volksrevolution“ im Parlament erfolgen. Nun manövriert Macron die NFP in eine parlamentarische Sackgasse: Entweder diskreditiert sie sich selbst, indem sie eine verhasste Lecornu-Regierung unterstützt, die eine Politik der Austerität, des Krieges und der Diktatur betreibt, oder sie schließt sich dem neofaschistischen Rassemblement National (RN) an, um Lecornu zu stürzen und Neuwahlen auszulösen, die die Partei RN sehr wohl gewinnen könnte.

Funktionäre des RN haben mit der Drohung reagiert, eine neue Lecornu-Regierung auszubremsen, und der RN-Parteivorsitzende Jordan Bardella hat sie als „Konstrukt ohne Zukunft“ und „schlechten Witz, demokratische Schande und Demütigung des französischen Volkes“ bezeichnet. Auch die PS, die Grünen, die PCF und LFI wollen sich gegen die Regierung Lecornu stellen, der unweigerlich stürzen wird, wenn diese Parteien ihre Drohungen wahr machen. Damit werden Neuwahlen zur sehr realen Möglichkeit.

Aktuellen Umfragen zufolge könnten das Rassemblement National und die rechtsgerichteten Republikaner (LR) zusammen eine knappe Mehrheit in der Nationalversammlung gewinnen. Darüber hinaus führen Fraktionen von Macrons Partei, insbesondere Figuren wie sein ehemaliger Premierminister Edourd Philippe, der derzeit Macrons Rücktritt fordert, hinter den Kulissen Gespräche über die Bildung einer Regierung mit dem RN. In der herrschenden Klasse Frankreichs sind die Pläne zur Errichtung einer faschistischen Diktatur unter Führung des RN bereits weit fortgeschritten.

Die Führer der Neuen Volksfront (NFP) reagieren darauf mit demoralisierten Prophezeiungen, dass ein Sieg der Neofaschisten unvermeidlich sei. Am späten Freitagabend trat Tondelier von den Grünen in den Nachrichten auf und erklärte:

Der Treibstoff, der den Wahlkampf des RN antreibt, ist die soziale Verzweiflung, denn man sieht, dass Wahlen nichts bringen und Macron nichts taugt. Die Menschen, die für uns gestimmt haben, als wir bei den Wahlen den ersten Platz belegten, sagen sich jetzt: ‚Sie haben ja nicht einmal ihr Amt angetreten.‘ Man sieht, was das für die öffentliche Meinung bedeutet. Emmanuel Macron bringt uns alle in eine sehr gefährliche Lage, er bringt das Land in eine gefährliche Lage. Ich werde ihm das nie verzeihen. Eines Tages werden wir aufwachen und feststellen, dass die extreme Rechte den Premierministerposten, vielleicht sogar die Präsidentschaft, innehat.

Ein Sieg der Neofaschisten ist keineswegs unvermeidlich, aber er lässt sich nicht verhindern, ohne die Arbeiterklasse zu mobilisieren und das Diktat der NFP über den Klassenkampf zu brechen. Die Wut der Arbeiterklasse gegen Macron ist explosiv, Arbeiter lehnen seine Politik der sozialen Austerität einstimmig ab, und es kursieren Aufrufe, mit einem Generalstreik alles zu blockieren. Aber die Gewerkschaftsführungen haben noch nicht einmal einen weiteren Protesttag gegen Macron und seine Versuche, gegen das Volk zu regieren, anberaumt.

Die NFP schürt selbst Verzweiflung, wenn sie die Opposition demobilisiert, wie beispielsweise 2023, als sie Streiks gegen Macrons äußerst unpopuläre Rentenkürzungen wieder absagte. Damit begünstigt sie den Aufstieg des RN.

Notwendig ist eine revolutionäre Strategie sowie Organisation und Mobilisierung von Arbeiterinnen und Arbeitern in Aktionskomitees, die unabhängig von den Bürokratien kämpfen können. Nur so kann die Arbeiterklasse gegen Sparpolitik, imperialistischen Krieg und Diktatur kämpfen. Die einzige tragfähige Perspektive für eine solche Bewegung ist die Enteignung der kapitalistischen Oligarchie, die die rechtsextremen Kräfte weltweit antreibt, durch die sozialistische Revolution.

Die französische Bourgeoisie ihrerseits will ihren Reichtum und ihre Position in der Welt verteidigen, indem sie die Lebensbedingungen für Arbeiter massiv angreift. Ihre Politik folgt den Grundzügen, die Trump in Washington vorgibt. Trump hat bereits massenhaft staatliche Angestellte entlassen und grundlegende soziale Rechte angegriffen, er schickt Soldaten, um Städte wie Los Angeles, Chicago und Washington zu besetzen, und ermächtigt sie, „volle Gewalt“ gegen die Bevölkerung anzuwenden.

Die Klassenbeziehungen in Europa und den Vereinigten Staaten unterscheiden sich nicht grundlegend. Kürzlich hat die Washington Post die Marschroute der Finanzmärkte an den französischen Staat dargelegt. Der Titel lautet: „Europas hohe Lebensqualität wird immer unbezahlbarer. Fragen Sie einfach Frankreich“. Unter Schuldzuweisungen an Russland und China werden in dem Artikel tiefgreifende Einschnitte in die europäische Lebensqualität gefordert.

Europa, so heißt es darin, „ist eingeklemmt zwischen einer aggressiven russischen Bedrohung und einem launischen US-Präsidenten, der traditionelle Verbündete mit Zöllen unter Druck setzt und seine Sicherheitszusagen offenbar von einem Tag auf den anderen ändert. (...) Gleichzeitig sehen sich Frankreich und Deutschland einer wachsenden wirtschaftlichen Herausforderung durch China gegenüber, das mit der europäischen Industrie bei teuren Gütern wie deutschen Elektrofahrzeugen und französischen Kernkraftwerken konkurriert.“

Der Artikel kommt zu dem Schluss „Die Kosten für den europäischen Lebensstil – Gesundheitsversorgung, bezahlbare Bildung und eine würdige Altersversorgung für alle durch hohe Sozialausgaben – werden unerträglich hoch.“

Die Schlussfolgerungen der herrschenden Klasse sind nicht schwer zu erkennen. Wenn soziale Rechte wie Gesundheitsversorgung, bezahlbare Bildung und eine würdige Altersversorgung eine Bedrohung für ihren obszönen Reichtum darstellen, dann müssen die Arbeiter eben auf Gesundheitsversorgung verzichten, sich für ihre Ausbildung massiv verschulden und ohne würdige Altersversorgung auskommen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer faschistischen Diktatur, um den Massenwiderstand gegen den sozialen Kahlschlag und gegen die Pläne für einen totalen Krieg gegen Russland zu unterdrücken.

Die einzige tragfähige Perspektive, um den Kampf gegen die Diktaturpläne der kapitalistischen Oligarchie aufzunehmen, besteht in der internationalen Mobilisierung der Arbeiterklasse. In einem Statement zur Frage: „Was ist der Weg vorwärts für die Arbeiterklasse nach dem Sturz der französischen Regierung“ hat die Parti de l’égalité socialiste  das Folgende erklärt:

Es gibt zwei unversöhnliche Alternativen: Entweder errichtet die kapitalistische Oligarchie eine faschistische Diktatur, um die Arbeiterklasse zu unterdrücken, oder die Arbeiterklasse führt einen revolutionären Kampf auf der Grundlage eines sozialistischen Programms, um die Oligarchen zu enteignen. Dafür muss sie die Zwangsjacke der Gewerkschaftsapparate durchbrechen, indem sie echte Arbeiterorganisationen aufbaut, die sich dem Klassenkampf verschrieben haben.

Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC) ruft dazu auf, dass die Arbeiter in allen Betrieben und Arbeitsplätzen den Gewerkschaftsbürokratien die Macht entreißen und selbst die Kontrolle übernehmen. Die Aktionskomitees als neue Formen der Klassenorganisation, in denen sich die französischen Arbeiter mit ihren Kollegen in ganz Europa zusammenschließen, sind notwendig, um den Widerstand gegen die Unternehmens- und Finanzoligarchie und ihr Programm für Faschismus, Völkermord und Krieg zu organisieren und sie zu besiegen.

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