Niederlande: Kultur oder Kanonen? Das Überleben des Van Gogh Museums steht auf dem Spiel

Vincent van Gogh, Selbstporträt, 1887 [Photo by vangoghmuseum.nl]

Die Zukunft des Van Gogh Museums in Amsterdam – Heimat der weltweit umfassendsten Sammlung von Werken des niederländischen Meisters Vincent van Gogh – steht derzeit auf der Kippe. Die Pläne der niederländischen Regierung, die jährlichen Mittel für Kunst und Kultur zu kürzen, bedrohen eine der wichtigsten kulturellen Einrichtungen der Menschheit. Auf dem Spiel steht nicht nur die Erhaltung der Meisterwerke van Goghs, sondern auch das allgemeine Prinzip, dass Kunst der Öffentlichkeit gehört und nicht einigen wenigen Privilegierten.

Nach dem Rijksmuseum ist das Van Gogh Museum in Amsterdam das meistbesuchte Museum der Niederlande und eines der beliebtesten weltweit. Es zieht jährlich über 1,7 Millionen Besucher an und erreichte 2017 einen Rekord von 2,6 Millionen Besuchern. Für Millionen Menschen ist das Museum mehr als nur ein Touristenziel; es ist eine seltene Begegnung mit Kunst, die von Leiden, Empathie und der Würde des Alltags erzählt – eine Konfrontation mit dem Menschsein und der Natur, dargestellt in bewegten Linien und leuchtenden Farben.

Die Geschichte van Goghs und des Museums ist untrennbar mit Tragödien und sozialen Bestrebungen verbunden. Vincent van Gogh starb im Juli 1890 im Alter von 37 Jahren, zwei Tage, nachdem er sich in die Brust geschossen hatte, und hinterließ ein außergewöhnliches Werk. Sein künstlerisches Erbe ging größtenteils an seinen hingebungsvollen Bruder Theo und später an dessen Sohn Vincent Willem van Gogh über.

1962 unternahm Vincent Willem den entscheidenden Schritt, um dieses Erbe vor den Augen privater Sammler und spekulativer Auktionsgebote zu schützen. In Anerkennung des immensen kulturellen Wertes der Werke seines Onkels schloss van Goghs Neffe eine historische Vereinbarung mit der niederländischen Regierung: Die Sammlung – über 200 Gemälde, 500 Zeichnungen und 800 Briefe sowie Werke von Zeitgenossen wie Paul Gauguin – blieb zwar im Besitz der Van Gogh Stiftung, wurde aber unter staatliche Aufsicht gestellt. Als Gegenleistung für die Einnahmen aus den Besucherzahlen verpflichtete sich die Regierung, ein Museum zu errichten und dauerhaft zu unterhalten, um sicher zu stellen, dass van Goghs Werke der Öffentlichkeit zugänglich bleiben.

Das Museum wurde 1973 eröffnet und hat seitdem fast 57 Millionen Besucher empfangen, weit mehr als die, für die es ursprünglich ausgelegt war. Nach mehr als fünfzig Jahren intensiver Nutzung zeigt das Gebäude nun Alterserscheinungen. Es hat Mühe, dem modernen Standard für Besuchersicherheit und -komfort gerecht zu werden. Das ist jedoch nicht nur für die Erhaltung der empfindlichen Meisterwerke unerlässlich, sondern auch für die Schaffung einer sicheren und funktionalen Arbeitsumgebung für das Personal.

Um dringende Instandhaltungsmaßnahmen, die Modernisierung der Klimaanlage und Verbesserungen im Bereich der Sicherheit zu finanzieren, hat das Museum kürzlich eine moderate Erhöhung seiner jährlichen Subventionen beantragt – von 8,5 Millionen Euro auf 11 Millionen Euro, was einer Steigerung von nur 2,5 Millionen Euro entspricht. Um dies ins rechte Licht zu rücken: Die Erhöhung entspricht kaum 0,01 Prozent der gesamten Verteidigungsausgaben der Niederlande oder genauer gesagt etwa 0,00015 Prozent des niederländischen BIP von 1,7 Billionen Euro. Die Zuweisung von 2,5 Millionen Euro würde in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung des Landes kaum ins Gewicht fallen. Das Van Gogh Museum legte einen „Masterplan 2028” vor. Er sieht eine dreijährige Renovierung vor, die 2028 beginnen soll, während der das Museum aufgrund teilweiser Schließungen mit erheblichen Einnahmeverlusten rechnet.

Die Reaktion des niederländischen Staates auf den Vorschlag des Museums war nicht nur hart, sondern auch unverhältnismäßig. Das Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft (OCW) unter Gouke Moes von der rechtsgerichteten Bauern-Bürger-Bewegung (BBB) – einem der beiden verbliebenden Koalitionspartner der derzeitigen Minderheitsregierung – lehnte den Antrag des Museums öffentlich ab und beharrte darauf, dass es mit den derzeitigen Mitteln „auskommen” könne.

Emilie Gordenker, Direktorin des Van Gogh Museums, erklärte gegenüber der New York Times:

Wenn diese Situation anhält, ist das gefährlich für die Kunst und gefährlich für unsere Besucher. Das ist das Letzte, was wir wollen – aber wenn es dazu kommt, müssten wir das Gebäude schließen.

Die Verhandlung über eine vom Museum gegen den Staat eingereichte Klage ist nun für den 19. Februar 2026 angesetzt. Dabei soll entschieden werden, ob das Museum die rechtliche Vereinbarung von 1962 durchsetzen kann. Sollte die Regierung sich durchsetzen, würde dies einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen: Unbezahlbare Kunstwerke könnten von privaten Sammlern beschlagnahmt und der Öffentlichkeit vorenthalten werden – nicht, weil die Reichen „die Kunst mehr lieben“ als Arbeiter, sondern weil sie es vorziehen, sie aus dem öffentlichen Leben zu entfernen. Millionen Menschen den Zugang zu Schönheit, Wahrheit und die Erinnerung an Kämpfe der Menschheit zu verweigern, ist an sich schon ein Ausdruck des obszönen Reichtums und der Macht.

Während ihres revolutionären Aufstiegs im 17. Jahrhundert spielte die niederländische Bourgeoisie eine widersprüchliche, aber historisch fortschrittliche Rolle in der Entwicklung der Kunst. Durch den achtzig Jahre andauernden Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien befreite sie sich von den Zwängen des Feudalismus und brach das Monopol des aristokratischen Mäzenatentums. Zum ersten Mal in der modernen Geschichte erlangten Künstler eine gewisse, wenn auch nur begrenzte Unabhängigkeit von den Diktaten der Kirche und der Krone. Die Maler des „niederländischen Goldenen Zeitalters“, von Rembrandt bis Vermeer, spiegelten dieses neue Selbstbewusstsein und die Neugier einer Gesellschaft wider, die es wagte, die gewöhnliche Welt mit menschlichen Augen zu sehen.

Doch dieser historische Moment, brillant, aber kurz, ist längst vorbei. Im Zeitalter des kapitalistischen Niedergangs ist dieselbe Klasse, die einst die Kunst von feudalen Fesseln befreit hat, zu ihrem größten Unterdrücker geworden. Was einst befreit wurde, wird nun herabgewürdigt und als finanzielle Belastung behandelt. Es ist das Spiegelbild einer zerfallenden Gesellschaft, angeführt von einer korrupten und rücksichtslosen herrschenden Klasse.

Anfang 2022, inmitten einer Welle von hysterischer antirussischer Propaganda, wurde die Ausstellung „Russische Avantgarde: Revolution in der Kunst“ in der damaligen Eremitage Amsterdam abrupt abgesagt. Die Werke von Kasimir Malewitsch, Wassily Kandinsky und anderen Avantgarde-Pionieren wurden im Namen der „politischen Tugend“ entfernt. Die Entscheidung wurde von der niederländischen herrschenden Klasse und der Direktorin des Museums, Annabelle Birnie, als Triumph gefeiert – als sogenannte Geste der Solidarität mit dem faschistisch infizierten Regime in der Ukraine.

Diese Episode spiegelt einen noch viel umfassenderen politischen Kurs wider: Die niederländische herrschende Klasse verfolgt, wie ihre Pendants in Europa, Nordamerika und im Pazifikraum, aggressiv militärische Pläne, um die Welt durch imperialistische Kriege und Völkermord neu aufzuteilen, während sie im eigenen Land Sparmaßnahmen, Nationalismus gegen Einwanderer und autoritäre Herrschaft durchsetzt.

Vincent van Gogh, Erste Schritte (nach Millet), 1890

Die Corona-Pandemie hat die kriminellen Folgen der Vernachlässigung und Profitgier der Regierungen offenbart, die weltweit Millionen Menschenleben gekostet haben. Jetzt, mit dem Krieg in der Ukraine und dem Völkermord in Gaza, wird dieselbe Logik fortgesetzt – zivile Opfer und menschliches Leid werden als unvermeidbare Begleiterscheinung, als notwendige „Kosten“ eines globalen Krieges gehandelt.

Nur wenige Wochen vor den nationalen Wahlen stellte die niederländische Übergangsregierung Milliarden Euro für Kampfflugzeuge, Überwachungssysteme, den Ausbau von Marinehäfen und andere Instrumente des Todes bereit. Neben dieser massiven Aufrüstung gibt es eine Flut von Kriegspropaganda, die die Öffentlichkeit auf neue Kriege vorbereiten soll.

Die Zahlen sprechen für sich. Die jährlichen Verteidigungsausgaben belaufen sich derzeit auf 25 Milliarden Euro – fast das 10.000-fache der bescheidenen 2,5 Millionen Euro, die das Van Gogh Museum für dringende Renovierungsarbeiten über einen Zeitraum von drei Jahren beantragt hat. Unterdessen werden Sozialprogramme gekürzt: 1,2 Milliarden Euro im Bildungsbereich, 2,3 Milliarden Euro im Gesundheitswesen und 200 Millionen Euro im Bereich Kultur und Kunst.

Ein aktueller Bericht der niederländischen Wirtschaftsagentur (CPB) untersuchte die Wahlprogramme der großen politischen Parteien, die sich an den Parlamentswahlen am 29. Oktober beteiligen, von der extremen Rechten bis zur nominellen Linken. Die Ergebnisse sind vernichtend: Fast jede Partei schlägt vor, die Gesundheitsausgaben zu kürzen, um massive Erhöhungen des Verteidigungshaushalts zu finanzieren, und stellt damit die Militarisierung über das grundlegende Wohlergehen der Bevölkerung.

Dieser anhaltende Angriff auf Kultur, Gesundheitswesen und Bildung ist kein isoliertes niederländisches Phänomen, sondern Teil des breiteren europäischen und globalen Trends, die demokratischen Rechte und sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse den profitgetriebenen Imperativen des kapitalistischen Systems unterzuordnen.

Der Kampf zur Verteidigung des Van-Gogh-Museums und zur Erhaltung seiner einzigartigen Sammlung kann nicht losgelöst werden von dem umfassenderen Kampf der internationalen Arbeiterklasse gegen Völkermord, Krieg und die systematische Zerstörung der Lebensbedingungen von Arbeitern und Jugendlichen. Kultur, Bildung und körperliches Wohlbefinden sind keine Luxusgüter, die für Profit und Militarismus geopfert werden dürfen – sie sind lebensnotwendig. Kunst und menschlicher Fortschritt gehören dem Volk und müssen als solche verteidigt werden. Schließlich erinnert uns die Geschichte immer wieder daran: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein!“

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