Argentiniens faschistischer Präsident Javier Milei errang am 26. Oktober 2025 einen überraschenden Sieg bei den Zwischenwahlen, die vor dem Hintergrund einer zunehmenden sozialen, wirtschaftlichen und politischen Krise im Inland und einer Eskalation der Aggressionen des US-Imperialismus in ganz Lateinamerika stattfand.
Mileis Partei La Libertad Avanza (LLA) gewann Sitze hinzu. Sie erhielt landesweit mehr als 40 Prozent der Stimmen in beiden Kammern des Parlaments. Die nominelle „Opposition“, die peronistische Koalition Fuerza Patria, und ihre Verbündeten gewannen zusammen etwa 30 Prozent. Die LLA wurde stärkste Kraft in den meisten Provinzen, darunter auch in der Provinz Buenos Aires, die traditionell eine peronistische Hochburg war.
Bei den Wahlen wurden 127 Sitze in der Abgeordnetenkammer (etwa die Hälfte des Unterhauses) und 24 Sitze im Senat (ein Drittel des Oberhauses) neu vergeben. Die LLA konnte ihre Fraktionen von sechs auf 19 Senatoren und von 37 auf 93 Abgeordnete ausbauen und sich damit die Sperrminorität von einem Drittel in der Abgeordnetenkammer sichern (dafür sind 86 der 257 Sitze erforderlich). Das ermöglicht Milei seine Vetos als Präsident gegen Gesetzesvorhaben der Opposition aufrechtzuerhalten, die nur von einer Zweidrittelmehrheit des Kongresses überstimmt werden können.
Die Koalition Fuerza Patria verzeichnete leichte Verluste bei ihren Sitzen in der Abgeordnetenkammer (von 98 auf 96) und einen deutlicheren Einbruch im Senat (von 30 auf 22 Sitze).
Während die Medien das Ergebnis der Zwischenwahlen als Zustimmung zu Mileis brutaler wirtschaftlicher Austeritätspolitik – symbolisiert durch seinen Auftritt mit einer Kettensäge – darstellen, war die Wahlbeteiligung mit 67 Prozent die niedrigste seit dem Sturz der Diktatur 1983. Mit anderen Worten, ein Drittel der Wähler hat sich nicht an der Wahl beteiligt, obwohl in Argentinien Wahlpflicht besteht. Bei den Wahlen zur Abgeordnetenkammer und zum Senat entfielen 59,3 bzw. 57,8 Prozent der Stimmen auf andere Parteien als die LLA.
Frühere Umfragen hatten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der LLA und Fuerza Patria angedeutet. Milei hatte zwar die Präsidentschaftswahlen 2023 mit einer Mehrheit von 56 Prozent gewonnen, seine Popularität ist aber seither auf einen Tiefststand von 40 Prozent gesunken. Obwohl sich die monatliche Inflation im ersten Jahr seiner Amtszeit stabilisiert hat, sind die Preise für öffentliche Verkehrsmittel um 206 Prozent gestiegen, Mieten und Nebenkosten um 276 Prozent, die Krankenversicherungsbeiträge um 184 Prozent und die Kosten für Bildung um 180 Prozent. Die Arbeitslosenquote erreichte im ersten Quartal dieses Jahres mit 7,9 Prozent den höchsten Stand seit vier Jahren. Die Armutsquote stieg nach Mileis Amtsübernahme auf den höchsten Stand seit zwanzig Jahren.
Zudem ist die LLA in zahlreiche Korruptionsskandale verstrickt: Angefangen mit einem Krypto-Betrug, in den Milei selbst verwickelt ist, über Anschuldigungen, dass seine Schwester Karina Milei,, die auch Generalsekretärin des Präsidentenamts ist, ein Pay-to-Play-System betreibt, bis hin zu Drogenvorwürfen gegen José Luis Espert, einen führenden LLA-Kandidaten für die Unterhauswahl in Buenos Aires, der seinen Wahlkampf in der ersten Oktoberwoche wegen Drogen-Vorwürfen abbrechen musste.
Nur wenige Tage vor den Zwischenwahlen traten Außenminister Gerardo Werthein und Justizminister Mariano Cúneo Libarona zurück, was die innenpolitische Instabilität und die internen Konflikte verdeutlicht.
Nachdem die LLA bei den Provinzwahlen in Buenos Aires, der bevölkerungsreichsten Provinz Argentiniens, in der 40 Prozent der landesweiten Wählerschaft und 30 Prozent des BIP konzentriert sind, am 7. September etwa 13 bis 14 Prozentpunkte gegenüber Fuerza Patria eingebüßt hatte, gerieten die Finanzmärkte in Panik und der Wert des Peso stürzte ab. Die argentinische Zentralbank musste innerhalb von nur drei Tagen 1,1 Milliarden Dollar an Devisenreserven ausgeben, um den Peso zu stärken und einen Zusammenbruch zu verhindern. Die USA intervenierten mit einem massiven finanziellen Rettungspaket in Höhe von 40 Milliarden US-Dollar, das einen Währungsswap in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar sowie weitere 20 Milliarden aus Mitteln von Staatsfonds und Privatbanken umfasste.
Weniger als 48 Stunden vor der Parlamentswahl traf Jamie Dimon, der Vorsitzende und Vorstandschef von JPMorgan Chase und ehemalige Wirtschaftsberater von Barack Obama und Trump, vor dem Hintergrund von Diskussionen über das umfassendere Finanzhilfepaket für die Milei-Regierung in Argentinien ein. JPMorgan Chase prüfte seine Beteiligung an diesem Kredit in Gesamthöhe von 20 Milliarden US-Dollar. Neben Milei, seinen Ministern und lokalen Geschäftsleuten kamen zu der von Dimon organisierten Veranstaltung auch der Kriegsverbrecher Tony Blair, der gegenwärtig den internationalen Rat von JPMorgan leitet, und die ehemalige US-Außenministerin Condoleezza Rice, eine Partnerin des Finanzunternehmens.
Bezeichnenderweise haben Mileis Vizewirtschaftsminister sowie der Präsident und der Vizepräsident der argentinischen Zentralbank ihre Vermögen allesamt während ihrer Karrieren bei JPMorgan in New York in den 1990ern und frühen 2000ern gemacht, indem sie dabei halfen, Gewinn aus der Verelendung der Arbeiterklasse in Argentinien und der ganzen Region zu schlagen.
Das US-Hilfspaket war nicht nur eine Wahlbeeinflussung, sondern kam auch einer Erpressung gleich. Nur zwölf Tage vor der Wahl hatte Trump erklärt, Argentinien werde das Rettungspaket nur erhalten, wenn Milei die Wahl gewinnt. „Wenn er verliert, werden wir Argentinien gegenüber nicht großzügig sein“, erklärte er vor dem Hintergrund, dass dem Land die schlimmste Wirtschaftskrise seit 2001 prognostiziert wurde. Tatsächlich werden die Hilfen direkt auf die Konten der Großbanken und Hedgefonds gehen, darunter einige der engsten Unterstützer Trumps, und den Preis müssen die argentinischen Arbeiter zahlen.
Die Ereignisse in Argentinien müssen im Kontext der Bestrebungen des Trump-Regimes gesehen werden, die Monroe-Doktrin wiederzubeleben und Lateinamerika wieder zum „Hinterhof“ des US-Imperialismus zumachen. Am deutlichsten wurde dies in den außergerichtlichen Morden vor den Küsten Venezuelas und Kolumbiens, die unter dem vorgespiegelten Grund begangen werden, den Drogenschmuggel zu bekämpfen. Daneben hat Trump die CIA ermächtigt, in Venezuela Operationen durchzuführen, um das Maduro-Regime zu stürzen, und Sanktionen gegen den kolumbianischen Präsidenten Gustavo Petro verhängt, weil er die US-Aggression kritisiert hatte.
Zudem planen die USA ein FBI-Antiterrorzentrum im Dreiländereck Paraguay, Argentinien und Brasilien, gestützt auf ein Abkommen zwischen den USA und Paraguay. Auch die jüngsten Besuche des Blackwater-Gründers Erik Prince in Ecuador und Peru, bei denen er für den Einsatz von US-Söldnern zur Ausbildung lokaler Polizei- und Streitkräfte warb, geben Grund zur Besorgnis.
Am 29. September, einige Tage nachdem bekannt geworden war, dass Trump ohne Zustimmung des Kongresses einen finanziellen Rettungsanker für Milei plant, unterzeichnete Milei ein Notstandsdekret (DNU), das US-Militärpersonal (darunter Navy SEALS) den Zugang ins Land erlaubt. Die US-Truppen werden auf strategisch wichtigen Marinestützpunkten im Südatlantik (Mar del Plata, Puerto Belgrano und Ushuaia) vom 20. Oktober bis zum 15. November – d.h. teilweise während der Wahlen – an gemeinsamen Militärübungen, genannt Operación Tridente, teilnehmen.
Wie es in lateinamerikanischen Staaten, in denen faschistische Kräfte im Aufwind sind, mittlerweile üblich ist, konzentrierte sich die nominelle „Opposition“ auf nationalistische Appelle. Der peronistische Bürgermeister von Ushuiaia, Walter Vuoto, verurteilte die Militärübungen, weil sie die Souveränität Argentiniens untergraben würden, und wies auf Ushuaias Bedeutung als „Tor“ zur Antarktis und zum Schutz der argentinischen Ansprüche auf die Malvinas (Falklandinseln) hin.
Die Peronisten sind keine echte Opposition, sondern haben Mileis Aufstieg zur Macht ermöglicht und seine Agenda begünstigt. Die niedrige Wahlbeteiligung zeigt die tiefgreifende Desillusionierung der argentinischen Arbeiterklasse gegenüber den Peronisten, weil sie einige von Mileis brutalsten Angriffen auf soziale Institutionen und demokratische Rechte mit ausgehandelt haben, und weil die peronistisch geführten Gewerkschaftsbürokratien wie der CGT die Forderungen nach einem Generalstreik abblocken.
Für das Fehlen einer Alternative sowohl zum Peronismus als auch zu Milei ist hauptsächlich die angeblich linke Koalition Linke- und Arbeiterfront (FIT-U) verantwortlich. Die FIT-U hat am 22. Oktober zum Ende ihres Wahlkampfs eine Kundgebung vor der amerikanischen Botschaft in Buenos Aires abgehalten und in pseudolinker und antiimperialistischer Rhetorik den „kolonialen Pakt“ zwischen Milei und Trump verurteilt. Nicolás del Caño von der morenistischen PTS, ein FIT-U-Abgeordneter für die Provinz Buenos Aires, erklärte: „Wir sind die einzige Kraft, die dafür kämpfen wird, nicht nur ein weiterer Stern auf der Flagge der Yankees zu sein.“
Vor der Wahl hatte die FIT-U fünf Sitze in der Abgeordnetenkammer, von denen vier zur Wiederwahl anstanden. Sie konnte nur drei Sitze in der Stadt und der Provinz Buenos Aires verteidigen und belegte dort den dritten Platz. Die Koalition kam auf 851.000 Stimmen, was zwar eine Verbesserung gegenüber der letzten Wahl war, aber dennoch weit hinter den 1,3 Millionen Stimmen, die sie bei den Zwischenwahlen 2021 erhalten hatte.
Die FIT-U trat mit einem Programm reformistischer Politik an, wonach man „das Großkapital, die Banken und die Grundbesitzer für die Krise bezahlen lassen wird, die sie verursacht haben“. Weiter war die Rede von der Notwendigkeit, „die Prioritäten umzudrehen“ und „die Wirtschaft auf die dringendsten Bedürfnisse von Arbeitern, Frauen, Jugendlichen und Rentnern neu auszurichten“.
Dieses nationalistische Programm hat nichts mit der Mobilisierung von Arbeitern über alle Grenzen hinweg zu tun, um das kapitalistischen System zu stürzen – die Ursache von Ausbeutung und sozialer Ungleichheit – und um eine Gesellschaft auf der Grundlage internationaler sozialistischer Prinzipien aufzubauen.
Die reformistische Politik der FIT-U wird der Dringlichkeit der revolutionären Aufgaben der internationalen Arbeiterklasse nicht gerecht, die mit der Bedrohung durch Weltkrieg und faschistische Diktatur sowie den unablässigen Angriffen auf demokratische und soziale Grundrechte in allen Ländern konfrontiert ist. Ihre Politik basiert darauf, Illusionen darüber zu schüren, dass es möglich sei, die peronistischen Parteien und Gewerkschaftsbürokratien unter Druck zu setzen und gegen Milei zu kämpfen und damit Zugeständnisse für die Arbeiterklasse zu erringen.
Die FIT-U bezeichnet Milei nicht einmal als „Faschisten“ und erkennt auch nicht an, dass sich der Faschismus im Aufschwung befindet. Stattdessen beschränken sie sich auf allgemeine Bezeichnungen wie „autoritär“ und „ultrarechts“. Auf diese Frage geht sie in einer Kolumne ein, die am 18. Februar auf der Seite der La Izquierda Diario der PTS veröffentlicht wurde:
Der Begriff „Faschismus“ hat sich von einem klar definierten politischen Konzept zu einem Etikett entwickelt, das für alles Mögliche verwendet wird, und seine Verwendung hat insbesondere seit Elon Musks Hitlergruß zugenommen. In diesem Kontext wurden Personen wie Donald Trump, Elon Musk, Giorgia Meloni, Nayib Bukele und Javier Milei als Faschisten bezeichnet. Aber repräsentieren diese Personen tatsächlich den Faschismus? Können wir mit Sicherheit sagen, dass sie dieses historische Phänomen verkörpern? Die Antwort lautet Nein.
Es ist unglaublich, dass diese Position seit Februar – nach allem, was seither passiert ist – nicht revidiert wurde! Zum einen ist Giorgia Meloni die Vorsitzende der Fratelli d'Italia (FdI), der Nachfolgepartei von Mussolinis faschistischer Partei, hinzu kommt Mileis Bekenntnis zum Vermächtnis der faschistischen Militärdiktatur von General Jorge Videla und seine Beziehungen zu Benjamin Netanjahu, Trump, Musk, Bolsonaro und einem breiten Netzwerk faschistischer Persönlichkeiten.
Laut dem gleichen Artikel trifft die Bezeichnung Faschismus nicht zu, weil die Bevölkerung noch auf den Straßen protestieren kann und Antifaschisten ungehindert online gegen Neofaschisten kämpfen können. Mit anderen Worten, Faschismus ist erst dann Faschismus, wenn es zu spät ist, ihn zu bekämpfen.
Die FIT-U entwaffnet die Arbeiterklasse, indem sie keine schlüssige sozialistische Perspektive und Programm anbietet. Das würde erfordern sich mit den ungelösten Fragen des 20. Jahrhunderts zu befassen und die historischen Parallelen zwischen dem konterrevolutionären Programm der Militärdiktaturen in Lateinamerika und Mileis heutigem Programm aufzuzeigen. Diese entscheidenden Aufgaben müssen durch den Aufbau einer neuen revolutionären Führung in der Arbeiterklasse, einer Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, erfüllt werden.
