Generalinspekteur Breuer fordert Musterung ganzer Jahrgänge für Vorbereitung auf Krieg gegen Russland

Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr (links), der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz und Alexander Sollfrank (rechts), Kommandeur des Einsatzkommandos, während eines Besuchs im Einsatzkommando der Bundeswehr in Brandenburg, Schwielowsee, am 28. Juni 2025 [AP Photo/Michael Kappeler/DPA via AP, Pool]

Der Vorstoß des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Carsten Breuer, zur vollständigen Wiedereinführung der Wehrpflicht markiert eine neue Stufe der aggressiven Kriegsvorbereitung des deutschen Imperialismus. In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) forderte der ranghöchste deutsche Soldat, künftig „jeweils den gesamten Jahrgang“ zu mustern, um „zu wissen, wer zur Verfügung steht und auf wen wir im Verteidigungsfall zugreifen könnten“.

Hinter der bürokratischen Sprache verbirgt sich ein ungeheuerliches Programm: Die herrschende Klasse will wieder ganze Generationen auf ihre Tauglichkeit als Kanonenfutter in zukünftigen Kriegen prüfen. Breuer spricht offen von „Aufwuchspotential“ und „personellen Reserven“, die geschaffen werden müssten, um „unsere Truppen bei Bedarf schnell zu verstärken“. Er fordert den Aufbau einer Reserve von 200.000 Wehrdienstleistenden – ein Schritt, der Teil einer umfassenden Kriegsmobilisierung ist.

Zynisch behauptet Breuer, es gehe um „Abschreckung für Frieden“. In Wahrheit geht es – wie sein ganzes Interview zeigt – um aktive Kriegsvorbereitungen. „Entscheidend ist, dass unsere Soldatinnen und Soldaten gut ausgebildet sind und über die Fähigkeiten verfügen, die sie im Gefecht bestehen lassen“, erklärt der General.

Das neue alte Feindbild des deutschen Militärs, das in zwei Weltkriegen unbeschreibliche Verbrechen beging, ist Russland. 80 Jahre nach dem Ende des Vernichtungskriegs der Wehrmacht im Osten, der in den Holocaust führte und mindestens 27 Millionen Sowjetbürgern den Tod brachte, erklärt Breuer:

Ich habe in meinen 40 Jahren als Soldat noch keine Lage erlebt, die so gefährlich war wie die aktuelle Bedrohung durch Russland. Wir können und müssen dem entschlossen begegnen. Das tun wir mit der zielgerichteten Entwicklung unserer militärischen Fähigkeiten, in der Bundeswehr und im Bündnis – und zwar mit Riesenschritten.

In Wirklichkeit bedroht nicht Russland Deutschland und Europa, sondern die imperialistischen Mächte sind die Aggressoren. Die reaktionäre Invasion des Putin-Regimes in der Ukraine ändert nichts daran, dass die Nato den Konflikt systematisch provoziert hat. Nach der Auflösung der Sowjetunion rückte sie trotz aller Versprechen bis an Russlands Grenzen vor, umzingelte das rohstoffreiche und geostrategisch zentrale Land militärisch und verwandelte die Ukraine de facto in einen Nato-Außenposten. Seit dem russischen Einmarsch heizen die imperialistischen Mächte den Konflikt immer weiter an und bereiten sich auf einen direkten Krieg gegen die Atommacht vor. Vor allem der deutschen Generalität kann es dabei offenbar nicht schnell genug gehen.

Immer wieder verweist Breuer auf den Faktor Zeit: „Wir müssen bis Ende des Jahrzehnts nicht nur eine starke aktive Truppe, sondern ebenso eine starke Reserve haben – um verteidigungsbereit zu sein, um abschrecken zu können.“ Damit benennt Breuer klar die Zielmarke, die Bundesregierung und NATO längst gesetzt haben: Deutschland und Europa sollen bis spätestens 2030 kriegsfähig gegen Russland sein.

Diese Frist findet sich wortgleich in dem auf dem letzten EU-Gipfel beschlossenen „Fahrplan für die Verteidigungsbereitschaft 2030“, der den Aufbau einer umfassenden Kriegswirtschaft in Europa vorsieht. Wie die WSWS in ihrem Kommentar zum Gipfel warnte, bedeutet dieser „Fahrplan“ nichts anderes als die Mobilmachung des gesamten Kontinents für einen großen Krieg gegen Russland.

Breuers Forderung nach Musterung und Wehrpflicht ist Bestandteil der Umsetzung dieser Eskalationsstrategie. Er spricht davon, dass die Bundeswehr „die Nato-Fähigkeitsziele erfüllen“ müsse, was „einen deutlich größeren Umfang der Streitkräfte“ erfordere.

Diese NATO-Ziele sind in Wahrheit Kriegsziele. Bereits auf dem NATO-Gipfel in Vilnius 2023 erklärten die Bündnisstaaten, man müsse „das volle Spektrum an Streitkräften, Fähigkeiten, Plänen, Ressourcen und Infrastruktur“ bereitstellen – „auch für hochintensive bereichsübergreifende Kriegsführung gegen nuklear bewaffnete gleichwertige Wettbewerber“. Mit anderen Worten: für einen direkten Krieg mit der Atommacht Russland.

Auf dem diesjährigen NATO-Gipfel in Den Haag wurde dieser Kurs weiter verschärft. Die Mitgliedstaaten beschlossen, ihre Militärausgaben in den kommenden zehn Jahren auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern – mindestens 3,5 Prozent für Waffen und Truppen, 1,5 Prozent für Infrastruktur, Cyber- und Nachschubkapazitäten. Damit würden die jährlichen Ausgaben der NATO-Staaten auf 2,8 Billionen Dollar anwachsen – mehr als die gesamte Wirtschaftsleistung Italiens oder Kanadas.

Deutschland treibt diese Aufrüstung besonders aggressiv voran. Der Verteidigungshaushalt soll bis 2029 auf mehr als 150 Milliarden Euro steigen, was etwa 3,5 Prozent des BIP entspricht. Rechnet man die „infrastrukturnahen“ Kriegsausgaben hinzu, investiert die Bundesregierung faktisch rund fünf Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung in militärische Zwecke – etwa 215 Milliarden Euro jährlich. Um diesen Wahnsinn umzusetzen, der nur mit dem Rüstungsprogramm der Nazis am Vorabend des Zweiten Weltkriegs vergleichbar ist, hat die Regierung mit Unterstützung der Grünen und der Linkspartei eine Billion Euro für die Aufrüstung bereitgestellt.

Das Interview mit Breuer ist in doppelter Hinsicht eine Warnung: es unterstreicht, wie aggressiv sich die herrschende Klasse wieder auf Krieg vorbereitet. Und es zeigt, wie provokativ die deutsche Generalität wieder auftritt. Sie dominiert zunehmend die Politik, und das ist politisch auch so gewollt.

Bereits im April 2024 verkündete Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) eine Strukturreform für die „Bundeswehr der Zukunft“, die u.a. die Schaffung einer einheitlichen zentralen Führungsstruktur für „die nationale operative Planung und Führung von Einsätzen“ vorsieht. Zu diesem Zwecke wurden das bereits existierende Territoriale Führungskommando (für das Inland) und das Einsatzführungskommando (für das Ausland) zu einem gemeinsamen Operativen Führungskommando der Bundeswehr (OpFüKdoBw) verschmolzen. Wir kommentierten damals:

Die Maßnahme bedeutet de facto die Wiedererrichtung eines Generalstabs. Dieser wurde nach der verhängnisvollen Rolle, die die deutsche Militärführung in den beiden Weltkriegen gespielt hatte, im Potsdamer Abkommen von 1945 verboten. Nun wird er stillschweigend wieder eingeführt und die eigentlich im Grundgesetz verankerte zivile Kontrolle über die Bundeswehr mit der Rückkehr zu den alten Kriegs- und Großmachtbestrebungen des deutschen Imperialismus beseitigt.

Breuers Intervention als faktischer Generalstabschef in die Wehrpflichtdebatte zeigt, wie stark die „Bundeswehr der Zukunft“ bereits Gegenwart ist. Die von allen Bundestagsparteien unterstützte Militarisierung ist untrennbar mit wachsender sozialer Ungleichheit und autoritären Tendenzen verbunden. Wie die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) und ihre Jugend- und Studierendenorganisation IYSSE wiederholt betont haben, ist die „Kriegstüchtigkeit“ der Bundeswehr nicht mit Demokratie vereinbar. Sie erfordert – wie in der Vergangenheit – die Unterdrückung der Arbeiterklasse und die Errichtung diktatorischer Herrschaftsformen.

Die Wiedereinführung der Wehrpflicht bedeutet die Unterordnung der Jugend unter die Kriegsinteressen des Kapitals – und sie muss auf der Grundlage einer klaren politischen Perspektive bekämpft werden. So erklären die IYSSE in ihrem Statement „Für eine sozialistische Perspektive gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht“:

Krieg entspringt nicht einfach den bösen Absichten einzelner Politiker an der Spitze der Gesellschaft, sondern geht aus den objektiven Widersprüchen des Kapitalismus hervor. Der Widerspruch zwischen einem Weltmarkt einerseits und der Aufteilung in rivalisierende Nationalstaaten andererseits führt zwangsläufig zum Kampf um Märkte und Rohstoffe – in Form von Kriegen.

Solange es den Kapitalismus gibt, wird es Krieg geben. Das bedeutet, dass eine „friedliche Bundeswehr“ unmöglich und eine gefährliche Illusion ist. Daraus müssen entscheidende Schlussfolgerungen gezogen werden: Ein Kampf gegen die Wehrpflicht bedeutet einen Kampf gegen Krieg und seine Wurzel – den Kapitalismus.

Die Alternative zu Wehrpflicht, Militarismus und Krieg, Unterdrückung und die politische Dominanz der Generäle ist der bewusste Aufbau einer internationalen sozialistischen Bewegung der Arbeiterklasse. Nur durch die Enteignung der Rüstungs- und Finanzoligarchie, die Auflösung der NATO und der EU als imperialistische Militärbündnisse und den Aufbau der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa kann ein neuer Weltkrieg verhindert werden.

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