Perspektive

Die politischen und Klassenfragen beim Sieg Mamdanis in New York City

Zohran Mamdani bei einer Rede auf einer Wahlparty am Dienstag, 4. November 2025, in New York [AP Photo/Yuki Iwamura]

Der Sieg von Zohran Mamdani von den Democratic Socialists of America (DSA) bei der Bürgermeisterwahl in New York City ist ein Ereignis von nationaler und sogar internationaler Bedeutung. Ein selbsternannter „demokratischer Sozialist“ hat in der Stadt der Wall Street, dem Zentrum des amerikanischen und globalen Finanzkapitals, die Wahl gewonnen.

Die Wahl widerlegt die Behauptung, dass jede Alternative zum Kapitalismus für eine Bevölkerung, die jahrzehntelang mit Antikommunismus beschallt wurde, nicht infrage komme. In Wirklichkeit bewegt sich ein großer Teil der Arbeiter und Jugendlichen nach links. Sie stehen dem Kapitalismus immer feindlicher gegenüber und unterstützten den Sozialismus mehr und mehr. Die Stimmen für Mamdani sind nicht nur Ausdruck der Enttäuschung über das bestehende politische Establishment, sondern auch der Empörung über die enorme Konzentration von Reichtum in den Händen einer winzigen Elite, über die unbezahlbaren Lebenshaltungskosten und die Zerstörung grundlegender demokratischer und sozialer Rechte.

Mehr als eine Million Menschen stimmten für Mamdani und die Wahlbeteiligung war so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Über zwei Millionen Stimmen wurden abgegeben, doppelt so viele wie vor vier Jahren und mehr als bei jeder anderen Wahl seit dem Jahr 1969. Mamdani, der zu Beginn seiner Kampagne in den Vorwahlen nur 1 Prozent der Stimmen erhielt, gewann mit deutlicher Mehrheit und schlug seinen letztlich zweitplatzierten Konkurrenten, den demokratischen Ex-Gouverneur Andrew Cuomo, um 9 Prozentpunkte.

Mamdani gewann in den meisten Arbeitervierteln der fünf Stadtbezirke von New York City und erzielte überwältigende Vorsprünge in den Bezirken, die am stärksten von Ungleichheit und steigenden Lebenshaltungskosten betroffen sind. In Harlem lag er 45 Prozentpunkte vor Cuomo; in Jamaica (Queens) waren es 28 Punkte; in East New York (Brooklyn) ebenfalls 28 Punkte; und 27 Punkte in Parkchester (Bronx). Es handelt sich um einige der ärmsten und ethnisch vielfältigsten Stadtteile der Stadt.

Laut einer Umfrage von CNN erhielt er 70 Prozent der Stimmen bei Wählern unter 45 Jahren, während Cuomo von diesen nur 25 Prozent auf sich vereinen konnte. Mamdani gewann mit überwältigender Mehrheit unter denjenigen, die die finanzielle Situation ihrer Familie mit „wir fallen zurück“ („falling behind“) beschrieben, sowie bei denen, die Trump und seine faschistische Agenda entschieden ablehnen.

In der Wahl kam eine klare Ablehnung des politischen Establishments, sowohl der rechtsextremen Republikaner als auch des Apparats der Demokratischen Partei, zum Ausdruck. Das Establishment unterstützte Cuomo und pumpte über 50 Millionen Dollar an geheimen Spenden in seinen Wahlkampf. Dass Mamdani den Schwerpunkt seines Programms auf die steigenden Lebenshaltungskosten – Mieten, Kinderbetreuung und Lebensmittel – legte, traf ebenso einen Nerv wie seine rhetorischen Anklagen gegen die Oligarchen, die das politische und wirtschaftliche Leben dominieren und sich hinter Trumps heraufziehende Diktatur versammeln.

Zweifellos hat Mamdanis Wahl nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch international Begeisterung ausgelöst. Der Kontrast zwischen Andrew Cuomo, dem Spross des zutiefst korrupten Establishments der Demokratischen Partei, und Mamdani, der sich als Anwalt der Unterdrückten präsentiert, wird die Hoffnung nähren, dass ein grundlegender Wandel im Gange ist. Doch es ist notwendig, bestimmte grundlegende Wahrheiten zu benennen, sich keiner Illusionen hinzugeben, sondern von der Logik der politischen und sozialen Realität auszugehen.

Als erstes muss gesagt werden, dass Mamdani sich zwar als „demokratischer Sozialist“ präsentiert, aber kein sozialistisches Programm vertritt. Seine Vorschläge – geringfügige Steuererhöhungen für Millionäre, begrenzte Maßnahmen gegen ausufernde Mieten und eine bescheidene Ausweitung der öffentlichen Dienstleistungen – sind kaum mehr als eine milde Wiederbelebung des liberalen Reformismus vergangener Tage.

Doch selbst die bescheidensten Vorschläge werden auf den heftigen Widerstand der Wall Street, der Oligarchie in Wirtschaft und Finanzwesen und des Staatsapparats stoßen, der deren Interessen verteidigt – sei es in Form von Klagen, politischen Provokationen oder direkteren Maßnahmen. Die Finanzaristokratie wird keinerlei Zugeständnisse machen. Sie wird mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln Widerstand leisten, selbst gegen die geringfügigsten Eingriffe in ihren Reichtum und ihre Macht.

Die Trump-Regierung hat in ihrer Rolle als Interessenvertreter der Finanzoligarchie bereits auf Mamdanis Sieg reagiert, indem sie ihre Drohungen verschärfte und ihre Absicht, in New York City direkt einzugreifen, zu erkennen gab. Nachdem Mamdani in seiner Siegesrede dazu aufgerufen hatte, „die Lautstärke gegen Trump zu erhöhen“, warnte der Präsident in einem Interview mit Fox News: „Das ist eine sehr gefährliche Aussage von ihm. Sie sprechen von Gefahr – ich halte es für eine sehr gefährliche Aussage von ihm. Er muss Washington gegenüber ein wenig Respekt zeigen.“

Auch Trumps faschistischer Berater Steve Bannon sagte gegenüber Politico, Mamdanis Wahl sollte „ein Weckruf sein“, und fügte hinzu, dass „überall rote Warnleuchten aufleuchten sollten“. Bannon erklärte: „Das sind sehr ernstzunehmende Leute, und man muss sich ernsthaft mit ihnen auseinandersetzen“. Dann forderte er, dass Mamdani, ein in Uganda geborener amerikanischer Staatsbürger, abgeschoben werden sollte.

Die Socialist Equality Party wird diesen und allen anderen Angriffen entgegentreten, einschließlich dem wahrscheinlichen Einsatz der Nationalgarde oder anderer Streitkräfte in New York City. Wir werden unsere Politik jedoch nicht Mamdani und der Demokratischen Partei unterordnen.

Die Demokratische Partei, der Mamdani als Mitglied angehört, lehnt es selbst entschieden ab, dass der Reichtum und die Vorherrschaft der Finanzelite irgendwie infrage gestellt werden. Die Führung der Demokraten ist zwiegespalten. Eine Fraktion ist dazu bereit, mit Mamdani zusammenzuarbeiten, da sie erkennt, dass die Partei einen Kandidaten braucht, der eine breite Wählerschaft anspricht. Eine andere Fraktion befürchtet hingegen, dass das Schüren von Stimmungen, die sich gegen das Establishment richten, schnell außer Kontrolle geraten könnte.

Viele führende Demokraten, darunter der Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer, weigerten sich auch dann noch Mamdani zu unterstützen, als er die Vorwahlen bereits gewonnen hatte. Das mediale Sprachrohr der Demokratischen Partei, die New York Times, veröffentlichte am Mittwoch einen langen Leitartikel, in dem sie den Handlungsspielraum des neuen Bürgermeister absteckte. Die Redaktion forderte Mamdani praktisch auf, seine Wahlversprechen aufzugeben und so zu regieren, wie es der milliardenschwere ehemalige Bürgermeister Michael Bloomberg getan hatte, um dessen Gunst sich Mamdani selbst erfolglos bemüht hatte.

In dem Leitartikel wurde betont, dass Mamdani ein Kabinett zusammenstellen müsse, das für die Wall Street und die Immobilienbranche akzeptabel ist – eine Vorgabe, die er sich schnell zu eigen machte. Am Mittwoch gab er ein Übergangsteam bekannt, das sich aus erfahrenen Demokraten aus dem Umfeld der letzten drei Bürgermeister zusammensetzt: Michael Bloomberg, Bill de Blasio und Eric Adams.

In der Art und Weise, wie Mamdani auf die Drohungen aus den Reihen der herrschenden Klasse reagiert, spiegelt sich die Politik der Democratic Socialists of America insgesamt wider. Seine gesamte Politik basiert auf der Behauptung, dass es möglich sei, völlig gegensätzliche Klasseninteressen miteinander in Einklang zu bringen. Echte soziale Veränderungen könnten angeblich durch die Zusammenarbeit zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten erreicht werden und das könne unter den Fittichen der Demokratischen Partei geschehen. Das ist eine Illusion, die keinerlei Grundlage in der politischen oder sozialen Realität hat.

Auf seiner Pressekonferenz am Mittwoch betonte Mamdani wiederholt seine Bereitschaft, sowohl mit Trump als auch mit der Wall Street „zusammenzuarbeiten“. Er erklärte, dass er Trump zwar politisch ablehne, aber „daran interessiert sei, mit Präsident Trump darüber zu sprechen, wie wir für die Menschen in New York zusammenarbeiten könnten“. Er fügte hinzu, dass er „bereit und willens sei, mit jedem zu sprechen“, wenn dies der Stadt zugute komme.

Mamdani kündigte auch an, dass er sich auf ein Treffen mit Jamie Dimon, dem CEO der Bank JPMorgan Chase, und „allen, denen es um die Zukunft unserer Stadt geht“, freue. Er lobte Dimon und andere Milliardäre, die „sich der Lebendigkeit [New Yorks] verpflichtet“ fühlten. Das sind nicht die Worte eines Sozialisten, sondern eines Politikers, der der Finanzelite versichert, dass ihr Reichtum, ihre Macht und ihre Privilegien unangetastet bleiben werden.

Wie die World Socialist Web Site zum Zeitpunkt der Vorwahlen im Juni feststellte: „Wahlkampfreden werden die Mauern der Wall Street nicht zum Einsturz bringen.“ Die Reaktion der Märkte auf Mamdanis Wahl unterstrich diesen Punkt. Die Finanzoligarchie zeigte sich keineswegs besorgt, sondern nahm das Ergebnis gelassen hin. Alle wichtigsten Indizes an der Wall Street stiegen am Mittwoch an.

In seiner Siegesrede berief sich Mamdani auf den großen amerikanischen Sozialisten Eugene V. Debs. Dabei ließ er jedoch Debs’ zentrale Schlussfolgerung außer Acht: „Die Arbeiterklasse wird niemals durch die Gnade der Kapitalistenklasse befreit werden, sondern nur durch den Sturz dieser Klasse.“

Die Erfahrungen des letzten Jahrzehnts sind reich an Beispielen von Parteien und Einzelpersonen, deren Behauptungen, dass sie für einen radikalen Bruch mit dem politischen Establishment stehen würden, an den Realitäten der kapitalistischen Herrschaft zerschellten. In Griechenland kam die Partei Syriza, die sogenannte „Koalition der Radikalen Linken“, im Jahr 2015 mit dem Versprechen an die Macht, die Sparpolitik zu beenden, nur um dann auf Geheiß der Banken und der Europäischen Union die brutalsten Sozialkürzungen durchzuführen. In Deutschland hat Die Linke überall dort, wo sie entweder eine Landesregierung selbst geführt oder an daran mitgewirkt hat, Flüchtlinge abschieben lassen und Sparmaßnahmen durchgesetzt. In Großbritannien kapitulierte die Corbyn-Bewegung innerhalb der Labour Party vor dem rechten Establishment dieser Partei und ebnete damit den Weg für die Rückkehr offen reaktionärer Politik.

In Klassenbegriffen ausgedrückt, bringen diese Tendenzen nicht die Interessen der Arbeiterklasse zum Ausdruck, sondern die der oberen Mittelschicht – einer privilegierten sozialen Schicht, die keine grundlegende Umgestaltung der Gesellschaft anstrebt, sondern eine komfortablere Position für sich selbst.

Zweifellos werden viele Arbeiter, die für einen Sozialisten gestimmt haben, Mamdanis Wahl als Signal verstehen, aktiv zu werden und für ihre eigenen Forderungen einzutreten. Aber was wird Mamdani tun, wenn die Arbeiter in den Kampf ziehen? Unweigerlich wird sich dann die Logik der Klasseninteressen durchsetzen. Mamdani wird sich den Forderungen des Establishments in Wirtschaft und Politik beugen. Was auch immer er behaupten mag, das letztendliche Ziel seiner Kampagne besteht darin, die wachsende Bewegung der Arbeiterklasse zu unterbinden und einzudämmen.

Die Arbeiter in New York und im ganzen Land werden keinen Schritt voran kommen, wenn sie versuchen, Druck auf die Demokratische Partei auszuüben, oder Hoffnungen in Mamdanis Regierung setzen. Der Weg vorwärts liegt vielmehr in der unabhängigen Mobilisierung der Arbeiterklasse im Kampf.

Die Socialist Equality Party, die amerikanische Schwesterpartei der Sozialistischen Gleichheitspartei, ruft zum Aufbau von Aktionskomitees an jedem Arbeitsplatz, in jeder Nachbarschaft und an jeder Schule auf. Diese Komitees sollen durch die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) miteinander verbunden werden. Sie müssen den Arbeitern als Mittel dienen, ihre Kämpfe zu organisieren, zu koordinieren und zu verschärfen – nicht um nach Reformen der bestehenden Ordnung zu betteln, sondern um ihr eigenes Programm auszudrücken und dafür zu kämpfen: die Verteidigung von Arbeitsplätzen, Löhnen und Lebensstandard; Widerstand gegen Krieg und Diktatur; und der Kampf für Arbeitermacht und die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft.

Ohne einen Frontalangriff auf den Reichtum der herrschenden Klasse kann nichts erreicht werden. Die Vermögen der Milliardäre, die darauf beruhen, dass sie die Banken, Konzerne und Immobilienmonopole kontrollieren, müssen enteignet und ihre Monopole in öffentliche Dienstleister unter demokratischer Arbeiterkontrolle umgewandelt werden.

Die entscheidende Frage ist die der Führung und der Perspektive. Wir rufen alle, die aus diesen Ereignissen revolutionäre Schlussfolgerungen ziehen, dazu auf, sich der Socialist Equality Party anzuschließen und dabei zu helfen, die Führung aufzubauen, die notwendig ist, um die wachsende soziale Wut in einen bewussten Kampf für den Sozialismus zu verwandeln.

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