Einen Monat nach seinem Wahlsieg haben sich der Milliardär Andrej Babiš und seine Partei ANO auf eine Koalition mit der Partei Freiheit und Demokratie (SPD) und der Autofahrerpartei (AUTO) geeinigt. Knapp 35 Jahre nach der sogenannten „Samtenen Revolution“, die laut westlichen Politikern und Medien Frieden, Wohlstand und Demokratie bringen sollte, wird Tschechien damit von offen faschistischen Kräften regiert, die Aufrüstung und Sozialkürzungen gegen die Bevölkerung durchsetzen.
ANO, die bei der Parlamentswahl 34,5 Prozent erreichte, verfügt gemeinsam mit der SPD (7,8 Prozent) und AUTO (6,8 Prozent) über eine Mehrheit von acht Sitzen im Parlament. Die bisherigen rechtskonservativen Regierungsparteien mussten teils starke Verluste hinnehmen, und die nominell „linken“ Parteien sind im neuen Parlament gar nicht mehr vertreten.
Babiš regierte das Land bereits von 2017 bis 2021 als Premierminister in einer Minderheitsregierung mit den Sozialdemokraten, die von der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens (KSČM) toleriert wurde. Die KSČM ist die Nachfolgepartei der stalinistischen Kommunistischen Partei Tschechiens (KSČ), die 1989/90 eine Schlüsselrolle bei der kapitalistischen Restauration spielte. Nun hat sie, indem sie Babiš unterstützte, der extremen Rechten den Weg geebnet.
Aufgrund seiner rechten, unsozialen Politik und mehreren Korruptionsvorwürfen verlor Babiš die Wahlen 2021, und die rechtskonservative Koalition Spolu gewann knapp vor ANO. Der bisherige Premierminister Petr Fiala setzte die Sparpolitik mit großer Härte fort und erhielt im vergangenen Monat dafür die Quittung.
Im Zentrum der neuen Regierung stehen ebenfalls Aufrüstung und Sozialkürzungen. Um diese durchzusetzen, werden nun offen faschistische Kräfte eingebunden.
Die SPD um ihren Vorsitzenden Tomio Okamura ist eine rechtsradikale Partei. Ihr Wahlkampf war geprägt von widerlicher Hetze gegen Migranten. Die Partei leugnet die Vernichtung der Roma während des Holocaust, will den Islam verbieten und lehnt jede Aufnahme von Geflüchteten in Tschechien ab. Auf einem früheren Wahlplakat der SPD war ein dunkelhäutiger Mann mit einem blutverschmierten Messer zu sehen, woraufhin ein Strafverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet wurde.
Hinter dem Image der „Autofahrer-Partei“ verbirgt AUTO ebenfalls ein faschistisches Programm. Ihr Vorsitzender Filip Turek ist Sammler von NS-Devotionalien und hat sich in den sozialen Medien regelmäßig rassistisch geäußert, so auch über den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama. In Bezug auf einen Brandanschlag auf eine Roma-Familie im Jahr 2009, bei dem ein Kleinkind beinahe ums Leben gekommen wäre, plädierte Turek auf „mildernde Umstände“, weil es sich um Roma gehandelt habe. Zahlreiche seiner Posts beziehen sich auf Hitler und Mussolini, wie tschechische Medien berichten.
Beim Gründungskongress der Jugendorganisation von AUTO, Motor Generation, im November 2024 präsentierten die Teilnehmer Berichten zufolge Schilder mit Aufschriften wie „Ich habe einen SS-Dolch zuhause“ oder „Zertifizierter Rassist“.
Die Posten im neuen Kabinett sind noch nicht endgültig geklärt. Vorbehalte gibt es vor allem in Bezug auf Turek. Aufgrund seiner offen zur Schau getragenen faschistischen Haltung könnte ihm – anders als ursprünglich geplant – die Position des Außenministers verwehrt bleiben. Okamura wird aber voraussichtlich künftig das Amt des Parlamentspräsidenten bekleiden. Dies ist nach dem Staatspräsidenten und dem Premierminister das dritthöchste Amt im Staat. Groteskerweise wäre Okamura in diesem Amt auch für den Dialog mit Minderheiten verantwortlich.
Im vorgestellten Koalitionsvertrag ist bereits die Senkung der Körperschaftssteuer von derzeit 21 auf 19 Prozent vorgesehen. Der Haushalt soll das Defizit unter drei Prozent des BIP halten und mittelfristig ausgeglichen sein bzw. einen Überschuss aufweisen. Um dies zu erreichen, sind massive Einschnitte bei Renten, Gesundheit und Bildung notwendig. Im Koalitionsvertrag ist lediglich allgemein von Kürzungen der Staatsausgaben die Rede; diese werden nicht ausdrücklich konkret benannt. Doch alle drei Parteien sind sich in dieser Frage einig.
Das Rentenalter weiterhin bei 65 Jahren zu belassen und nicht weiter anzuheben, wie von der Vorgängerregierung geplant, ist eine reine Absichtserklärung und kann jederzeit über Bord geworfen werden.
In der Kriegspolitik werden die von der Vorgängerregierung beschlossenen Erhöhungen der Ausgaben für Aufrüstung auf fünf Prozent des BIP nicht angetastet. Ergänzend zu dieser bereits gigantischen Aufrüstung will die neue Regierung das Anti-Drohnen-Programm weiter ausbauen und die Zahl der Soldaten erhöhen.
Die Einbindung rechtsextremer Kräfte in die Regierung löste in der EU teilweise Befürchtungen aus, ob Prag weiterhin die Ziele von EU und NATO unterstützen werde – insbesondere, ob es den Kriegskurs gegen Russland mitträgt.
Babiš und seine Koalitionspartner haben diese Befürchtungen umgehend zerstreut. Außenpolitisch kündigt der Koalitionsvertrag eine noch schärfere Politik der „Null Toleranz“ gegenüber illegaler Migration an, das heißt: Die brutale Abschottungspolitik der EU wird in Tschechien durch die Rechtsextremen weiter verschärft. Gleichzeitig werden Migranten zu Sündenböcken für die sich verschärfende soziale Krise gemacht.
Neben dem Bekenntnis zur EU sollen auch die Beziehungen zu Israel und zu den USA unter Donald Trump gestärkt werden.
Eine Volksabstimmung über einen Austritt Tschechiens aus EU und NATO, wie sie vor allem von der SPD gefordert wurde, ist vom Tisch. Auch die Unterstützung der Ukraine gegen Russland wird sich unter der neuen Regierung nicht ändern. Unmittelbar nach seinem Wahlsieg telefonierte Babiš mit Wolodymyr Selenskyj, um dies zu unterstreichen.
Auch die Ankündigung Babiš’, die tschechische Munitionsinitiative zu überprüfen, die von der Vorgängerregierung aufgelegt worden war, erwies sich im Wesentlichen als Wahlkampfgetöse. Tatsächlich wird Tschechien unter der neuen Regierung die Ukraine weiterhin unterstützen. Pavlina Janebová vom Prager Thinktank Amo.cz erklärte dazu: „Babiš versteht sich als Mann des Business. Er will natürlich dafür sorgen, dass tschechische Firmen eines Tages am Wiederaufbau in der Ukraine teilnehmen können.“
Der ehemalige NATO-General und jetzige Staatspräsident Petr Pavel, der die neue Regierung ernennen muss und dies theoretisch auch ablehnen könnte, zeigte sich zufrieden. Die Koalition habe „die pro-westliche Ausrichtung unseres Landes“ bestätigt, so Pavel.
Dies macht einmal mehr deutlich, dass die herrschende Klasse in Europa bereit ist, offen faschistische Kräfte an die Macht zu bringen, solange diese die aggressive Kriegspolitik der EU mittragen. In ganz Europa ist diese Entwicklung zu beobachten: In mehreren Ländern sind rechtsextreme Parteien bereits in der Regierung, in anderen stehen sie an der Schwelle zur Macht.
Am weitesten fortgeschritten ist diese Entwicklung in den USA, wo Trump eine autoritäre Präsidialdiktatur errichtet. So wie dort von Seiten der Demokraten und Gewerkschaften keine Gegenwehr kommt, haben auch in Europa bürgerliche und „linke“ Parteien dieser Entwicklung nichts entgegenzusetzen.
Die riesigen Summen für Aufrüstung und Krieg, die durch massive Sozialkürzungen finanziert werden, sind mit Demokratie unvereinbar. Deshalb werden Rechtsextreme und Faschisten in die Regierungen geholt, um die Opposition der Arbeiterklasse dagegen zu unterdrücken.
