254. Die Analyse der Globalisierung durch das Internationale Komitee führte zu einer Überprüfung und Vertiefung der marxistischen Haltung gegenüber der Frage der nationalen Selbstbestimmung. Dies wurde durch die tragischen Erfahrungen der Arbeiterklasse mit nationalistischen Bewegungen wie dem African National Congress (ANC) und der Palästinensischen Befreiungsfront und durch ihr schlussendliches Arrangement mit dem Imperialismus erforderlich.
Auch die Entwicklung reaktionärer separatistischer Bewegungen in vielen Ländern der Welt machte eine solche Überprüfung notwendig. In jedem einzelnen Fall versuchten diese Bewegungen, ihre Bemühungen, direkte Beziehungen mit den globalen Konzernen herzustellen, in eine Sprache kultureller oder ethnischer Befreiung zu übersetzen. Die Konsequenzen waren verheerend.
255. Das Internationale Komitee stellte fest, dass Lenins Unterstützung des „Rechts auf Selbstbestimmung“ auf den Kampf gegen nationalistische Einflüsse auf die Arbeiterklasse und die unterdrückten Massen abzielte und die Beseitigung ethnischer und sprachlicher Barrieren zum Ziel gehabt hatte, die für Regimes mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung charakteristisch waren. Sie war darüber hinaus in Anerkennung des progressiven Charakters der Vereinigung oft grundverschiedener Völker in einer funktionsfähigeren ökonomischen Einheit und der anti-imperialistischen Stimmung formuliert worden, die solche Bewegungen gegen die koloniale Unterdrückung im Allgemeinen beseelte.
Die gewaltige Entwicklung der globalisierten Produktion bedeutete, dass die sozialen Beziehungen und die politischen Bedingungen, die am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts vorgeherrscht hatten, zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts nicht mehr existierten. In Asien, Afrika und Europa war das Aufkommen separatistischer Bewegungen entweder das Ergebnis davon, dass bürgerlich-nationalistische Bewegungen der Vergangenheit die Befreiung von imperialistischer Herrschaft nicht erreicht hatten, oder das Ergebnis des Auseinanderbrechens von vor langer Zeit errichteter Nationalstaaten.
Auf dem Territorium der ehemaligen UdSSR nahmen diese Bewegungen einen explizit pro-imperialistischen Charakter an, oft unter der direkten Vormundschaft Washingtons. Sie traten alle dafür ein, die Arbeiterklasse in ethnische Kantone zu zersplittern, die völlig vom Imperialismus abhängig waren. Das „Recht auf Selbstbestimmung“ wurde lediglich bemüht, um die selbstsüchtigen Interessen der lokalen Bourgeoisie zu befördern.
256. Das Internationale Komitee beharrte auf der Verteidigung der ehemaligen Kolonialländer gegen den Imperialismus und betonte, dass die sozialen und demokratischen Interessen der Arbeiter und der unterdrückten Massen nicht durch die Schaffung neuer und immer kleinerer Staaten vertreten werden konnten. Vielmehr verlangten sie ein Ende der Teilung der Welt in antagonistische Nationalstaaten mittels sozialer Revolution. Wie richtig diese Einschätzung war, zeigte sich sechs Jahre später, als die Sinn Fein in den britischen Staatsapparat in Nordirland eingegliedert wurde und sich unter dem „Good-Friday-Abkommen“ mit den unionistischen Parteien an einen Tisch setzte.