Entwurf für neues Arbeitsgesetz in Griechenland: Ein brutaler Angriff auf die Arbeiter

Die rechte griechische Regierung unter Nea Dimokratia (ND) hat ein neues Arbeitsgesetz vorgelegt, das einen Frontalangriff auf die Rechte der Arbeiter bedeutet. Die ND wurde im Juni mit einem deutlichen Sieg über die pseudolinke Oppositionspartei Syriza wiedergewählt. Das Arbeitsministerium hat den Gesetzesentwurf am 25. August öffentlich vorgestellt. Die Debatte läuft bis zum 8. September, und es wird erwartet, dass der Gesetzentwurf zwei bis drei Wochen danach dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt wird.

Der wichtigste Angriff betrifft das Streikrecht. Im Abschnitt „Schutz des Rechts auf Arbeit“ werden Streikposten kriminalisiert und Streikbruch erleichtert. Es wird verboten, das „freie und ungehinderte Betreten oder Verlassen eines Arbeitsplatzes durch Arbeitnehmer, die sich nicht an einem Streik beteiligen, sondern arbeiten wollen, zu verhindern und sie physischer oder psychischer Gewalt auszusetzen“. Auch die „Besetzung von Arbeitsbereichen oder Eingängen während eines Streiks“ wird untersagt.

Landesweiter 24-Stunden-Streik in Athen, 6. April 2022 (AP Photo/Thanassis Stavrakis)

Ein Verstoß wird mit sechs Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von mindestens 5.000 Euro bestraft.

Der Gesetzentwurf stützt sich auf die Änderungen der Arbeitsgesetzgebung in der letzten Legislaturperiode der ND im Jahr 2021. Damals kam es zu großen Protesten in ganz Griechenland. Das Streikrecht wurde eingeschränkt, indem das Gesetz eine „garantierte Mindestdienstleistung“ von 33 Prozent bei allen öffentlichen Diensten – wie der Athener Metro – vorschrieb. Außerdem erlaubt es den Arbeitgebern, die tägliche Arbeitszeit von acht auf zehn Stunden zu erhöhen.

Mit dem Hauptteil des neuen Gesetzentwurfs wird die Richtlinie 2019/1152 der Europäischen Union (EU) über „transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen“ umgesetzt. Griechenland ist eines der wenigen EU-Länder, die die Richtlinie noch nicht eingeführt haben, nachdem eine Frist im August letzten Jahres abgelaufen war.

Die Europäische Kommission behauptet, das Ziel der Richtlinie sei es, „umfassendere und modernisierte Rechte für alle Arbeitnehmer in der EU“ zu schaffen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Sie formalisiert Ausbeutermethoden wie etwa „Null-Stunden-Verträge“, bei denen Arbeitgeber nicht verpflichtet sind, den Arbeitern eine bestimmte Anzahl von Stunden zu garantieren.

Laut der Richtlinie habe es „auf den Arbeitsmärkten aufgrund der demografischen Entwicklung und der Digitalisierung, die zur Entstehung neuer Formen der Beschäftigung geführt haben, tiefgreifende Veränderungen gegeben, die Innovationen, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Belebung des Arbeitsmarktes gefördert haben“.

Zweck der Richtlinie sei es angeblich, „die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem eine transparentere und vorhersehbarere Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird“. In der Praxis bedeutet das, dass ausbeuterischen und willkürlichen Arbeitspraktiken keine Grenzen gesetzt werden, sondern die Arbeitgeber lediglich verpflichtet sind, alle „wesentlichen Aspekte des Arbeitsverhältnisses“ schriftlich festzuhalten.

Die Richtlinie sieht vor, dass Beschäftigte bei unvorhersehbaren Arbeitszeiten „innerhalb einer angemessenen Ankündigungsfrist gemäß den nationalen Rechtsvorschriften“ über einen Arbeitseinsatz unterrichtet werden müssen. Im Falle Griechenlands soll diese Frist auf nur 24 Stunden festgesetzt werden, was bedeutet, dass die Arbeiter ihre Verpflichtungen, wie z. B. die Kinderbetreuung, kurzfristig regeln müssten, um nicht ihren Arbeitsplatz zu verlieren.

Ein Arbeitgeber kann einem Arbeiter nicht verbieten, „außerhalb des mit ihm festgelegten Arbeitsplans eine Beschäftigung bei anderen Arbeitgebern aufzunehmen“. Damit wird nur legalisiert, was bereits jetzt Realität ist: Viele Vollzeitbeschäftigte sind gezwungen, mehr als einen Job anzunehmen, um über die Runden zu kommen. Das gilt vor allem in Griechenland, wo der Mindestlohn bei lächerlichen 780 Euro im Monat liegt. Laut Angaben des Arbeitsministeriums ist mindestens jeder sechste Arbeiter bei mehr als einem Arbeitgeber beschäftigt.

In einem Fernsehinterview erklärte der neue Arbeitsminister Adonis Georgiadis: „Bisher war es illegal, dass jemand, der eine Vollzeitbeschäftigung hat, auch anderswo Teilzeit arbeitet.“ Er fügte hinzu: „Unser Ziel ist es, unsere Arbeitsbeziehungen ehrlicher zu gestalten. Wir haben nicht etwas Neues erfunden. Wir bilden lediglich ab, was in der Welt bereits geschieht.“

Soll heißen: Gerade die schlecht bezahlten Arbeiter dürfen jetzt auch mit dem Segen des Staats bis zu 13 Stunden am Tag schuften. Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich eine Ruhezeit von elf Stunden.

Der Gesetzentwurf enthält zusätzlich zu den Vorgaben der EU-Richtlinie weitere unternehmensfreundliche Maßnahmen. Eine Klausel erlaubt es Unternehmen, die kontinuierlich in Wechselschicht arbeiten, wie z. B. Produktionsbetriebe, die Wochenarbeitszeit von fünf auf sechs Tage zu verlängern. Das fordert der griechische Industrieverband (SEV) schon seit Jahren, weil es Konzernen ermöglicht, das Arbeitspensum der vorhandenen Belegschaft zu erhöhen, ohne zusätzliches Personal für die Schichten einzustellen oder hohe Überstundenkosten zu zahlen.

Das Arbeitsgesetz ist einer der ersten größeren Gesetzesentwürfe der rechten Regierung unter Kyriakos Mitsotakis seit dem Antritt ihrer zweiten Amtszeit im Sommer. Damit markiert sie ihre aggressive wirtschaftsfreundliche Agenda, die sie in den nächsten vier Jahren verfolgen will.

Das wurde bereits bei der Ernennung von Adonis Georgiadis zum Arbeitsminister im Sommer deutlich. Georgiadis, der für seine faschistischen und antikommunistischen Tiraden bekannt ist, trat 2012 der ND bei, nachdem er aus der rechtsextremen LAOS (Orthodoxe Volksbewegung) ausgeschlossen worden war, weil er für das zweite Sparpaket der EU und des Internationalen Währungsfonds gestimmt hatte. Georgiadis war 2013 unter dem ND-Ministerpräsidenten Antonis Samaras als Gesundheitsminister verantwortlich für die Aushöhlung des Gesundheitssystems. Als Minister für Entwicklung und Investitionen in der letzten ND-Regierung warb er bei der internationalen Finanzelite für das Investitionspotenzial Griechenlands als Niedriglohnland.

Die Syriza-Abteilung für Arbeitspolitik veröffentlichte eine Erklärung, in der sie absurderweise behauptet, dass sich die Regierung „hinter der Umsetzung einer EU-Richtlinie versteckt, die auf einer ganz anderen Wellenlänge liegt“. Syriza verspricht, „dass wir mit den Arbeitnehmern und den Gewerkschaften innerhalb und außerhalb des Parlaments dafür kämpfen werden, dass dieses ungeheuerliche Gesetz nicht verabschiedet wird“.

Das ist alles nur heiße Luft, wenn man Syrizas eigene Regierungsbilanz von 2015 bis 2019 bedenkt. Die pseudolinke Partei kam im Januar 2015 an die Macht, weil sie gegen die Spardiktate auftrat, brach aber innerhalb weniger Wochen ihre Versprechen. Nach dem Referendum im Juli 2015, bei dem die Arbeiter ein drittes Sparpaket mit überwältigender Mehrheit ablehnten, stimmte Syriza – zusammen mit ihrem Koalitionspartner ANEL, den rechtsextremen Unabhängigen Griechen, – kurzerhand einem Sparpaket der EU und des IWF zu. In den darauffolgenden vier Jahren setzte Syriza einen Sparkurs durch, der sogar noch brutaler war als der von den vorherigen Regierungen unter der sozialdemokratischen Pasok und der ND. 2018 führte Syriza ihre eigene Anti-Streik-Gesetzgebung ein und hob die Schwelle für eine Streikabstimmung von einem Drittel auf mindestens 50 Prozent der Mitglieder einer Gewerkschaft an.

Nach ihrer Wahlniederlage im Jahr 2019 verlor Syriza weiter an Unterstützung in der Arbeiterklasse und rückte immer mehr nach rechts, was schließlich in der Niederlage bei den jüngsten Wahlen gipfelte.

Auch der Allgemeine Gewerkschaftsbund GSEE gab eine verlogene Erklärung ab, in der er die Regierung beschuldigte, „die wenigen verbliebenen Arbeitsrechte weiter zu deregulieren und die Übernahme der EU-Richtlinie 2019/1152 als Vorwand zu nutzen“.

In Wirklichkeit ist die Gewerkschaftsbürokratie verantwortlich für die massiven Angriffe auf die Rechte der Arbeiter und den gesunkenen Lebensstandard in den letzten Jahren. Als Partner der Regierungen hat sie die Durchsetzung der Sparoffensive ermöglicht. Der GSEE und der Gewerkschaftsverband des öffentlichen Sektors ADEDY riefen in den letzten zehn Jahren zu Dutzenden Generalstreiks gegen die Sozialangriffe auf, die auf Geheiß der EU und des IWF vom Parlament umgesetzt wurden. Diese Streiks dienten aber lediglich dazu, ein Ventil für den Unmut der Arbeiter zu schaffen, während die Maßnahmen verabschiedet wurden.

Die stalinistische Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) verurteilte den Gesetzentwurf ebenfalls und rief die Arbeiter auf, „in Alarmbereitschaft zu sein, um eine kämpferische Gegenoffensive zu führen und zu verhindern, dass dieses monströse Gesetz dem Parlament vorgelegt wird“. Die KKE hat in den letzten Jahren unzählige solcher „Kampfappelle“ veröffentlicht und die Streiks der Gewerkschaften unterstützt, die alle systematisch ausverkauft wurden.

Die Gewerkschaften, die zu PAME (Militante Arbeiterfront) gehören, dem KKE-Gewerkschaftsverband, spielten bei diesen Ausverkäufen eine entscheidende Rolle. Indem sich die PAME als kämpferischer Gewerkschaftsflügel aufspielte, sorgte sie dafür, dass keiner der Streiks der Kontrolle der Bürokratie entglitt.

Um ihren Kampf voranzutreiben, brauchen die Arbeiter ihre eigenen Aktionskomitees, die unabhängig von den Gewerkschaften sind und sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen in ganz Europa zusammenschließen, die den gleichen Angriffen auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind.

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