Während Bundeskanzler Scholz und US-Präsident Biden am Freitag in Berlin darüber sprachen, wie sie die brutalen Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten noch weiter eskalieren können, traf sich die Linkspartei in Halle zu ihrem Bundesparteitag. Das Signal der Zusammenkunft war eindeutig: die Partei stellt sich weiterhin voll hinter die Kriegspolitik der Regierung und bereitet sich darauf vor, sie auch direkt selbst mit umzusetzen – sofern sie jemals wieder in den Bundestag einzieht.
Die Stimmung auf dem Parteitag war gespenstisch. All die explosiven politischen Entwicklungen, die Millionen Menschen in Atem halten, wurden schlichtweg ausgeblendet. Weder die Kriegsvorbereitungen gegen den Iran noch die Gefahr eines Atomkriegs durch direkte Angriffe auf Russland mit Nato-Raketen kamen im Leitantrag oder in den Hauptreden des Parteitags vor. Die Welt hätte um die Messehalle herum einstürzen können und die Delegierten hätten trotzdem nur die abgedroschenen Floskeln von mehr sozialer Gerechtigkeit von sich gegeben, die ihnen ohnehin keiner mehr abkauft.
Der Grund für dieses Ausweichmanöver liegt darin, dass die Linke in allen wesentlichen Fragen die Politik der Bundesregierung unterstützt. Im Vorfeld des Parteitags hatte es wochenlange interne Diskussionen gegeben, um Formulierungen zu finden, die eben das zum Ausdruck bringen, aber etwas weniger martialisch klingen als die von Scholz und Baerbock. Der Leitantrag hält auch fest, dass die Kriegsfrage kein Fokus im Bundestagswahlkampf sein soll. Gleichzeitig lässt er keinen Zweifel daran, dass Die Linke den Kriegskurs voll unterstützt.
Während 82 Jahre nach dem Vernichtungskrieg der Nazis deutsche Panzer wieder auf russisches Territorium vordringen und die Nato-Mächte offen darüber diskutieren, Moskau mit Raketen anzugreifen, heißt es im Leitantrag der Linkspartei. „Die ukrainische Bevölkerung kämpft um ihr Recht auf nationale Selbstbestimmung und nimmt das in der UN-Charta verbriefte Recht auf Selbstverteidigung wahr. Die Linke verteidigt dieses Recht“. Dementsprechend fordert die Linke auch kein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine.
Die ukrainische Bevölkerung hat am allerwenigsten ein Interesse an einer Fortführung des Gemetzels. Sie wird in einem Krieg verheizt, der von der Nato bewusst provoziert wurde, um Russland militärisch zu unterwerfen. Es geht nicht um Selbstbestimmung der Ukraine, sondern darum, das Land den geostrategischen Interessen der Nato unterzuordnen. Dabei arbeitet Deutschland mit offen faschistischen Kräften zusammen, die sich in der Tradition der Nazi-Kollaborateure sehen und brutal gegen jede Opposition zum Krieg in der ukrainischen Bevölkerung vorgehen.
Kein Wort findet sich dazu bei der Linkspartei. Überhaupt kommt der deutsche Imperialismus mit keiner Silbe vor. Ein Antrag, der diesen zumindest thematisierte, wurde rundheraus abgelehnt. Stattdessen nimmt die Partei sich vor, „glaubwürdige Antworten auf Aggressionen und imperiale Bestrebungen nicht-westlicher Akteure zu finden“. Anders als auf früheren Parteitagen fordert die Linkspartei daher auch keine nennenswerte Abrüstung mehr. Nachdem der Verteidigungshaushalt allein in den letzten sechs Jahren um über 100 Prozent gestiegen ist, plädiert die Linke in ihrem Leitantrag für eine Senkung der Ausgaben um gerade einmal 2 Prozent! Und das auch nur, wenn sich sämtliche Länder der Vereinten Nationen zum gleichen Schritt verpflichten. Deutlicher kann man den rein kosmetischen Charakter des gelegentlichen Friedensgeplänkels der Linkspartei gar nicht auf den Punkt bringen.
Auch mit Blick auf die zweite Kriegsfront steht die Linkspartei voll hinter der Bundesregierung. Während Biden und Scholz in Berlin einen offenen Krieg gegen den Iran diskutierten, forderte auch der Leitantrag der Linkspartei ein schärferes Vorgehen gegen das Land: „Die Bundesregierung muss die wirtschaftliche Kooperation mit den Staaten der Region konsequenter unter die Bedingung stellen, aktiv zum Friedensprozess beizutragen und Eskalationsschritte zu unterlassen bzw. zu verhindern. Das gilt vor allem für die Türkei, Katar und Iran, die zu den Hauptsponsoren der Hamas gehören.“
Den barbarischen Völkermord in Gaza weigert sich die Linkspartei als solchen zu benennen. Entsprechende Formulierungen wurden schon vor dem Parteitag aus dem Leitantrag gestrichen und durch die vage Feststellung ersetzt, man begrüße das Bemühen des IGH, „einen Genozid zu verhindern“ – als ob dieser nicht schon längst stattfinden würde. Der Aufstand der Palästinenser wird als „Terror“ verunglimpft und gleichzeitig das Selbstverteidigungsrecht Israels beschworen, das der Rechtfertigung des Völkermords dient. Zwar fordert die Linkspartei ein Ende der deutschen Waffenlieferungen an Israel, liegt mit der Forderung nach einem Waffenstillstand und der sofortigen Freilassung der israelischen Geiseln aber auf der Linie der Bundesregierung, die mit solchen folgenlosen Aufrufen die Unterstützung des Genozids rechtfertigt.
Darüber hinaus beteiligt sich die Linkspartei an der üblen Kampagne, mit der jeder Gegner des Völkermords zum Antisemiten erklärt wird. So wird, wer das Existenzrecht Israels in Frage stellt, also etwa für einen gemeinsamen säkularen Staat mit gleichen Rechten für Palästinenser und Juden eintritt, in die Ecke des Antisemitismus gestellt. Er könne „kein Bündnispartner“ sein, so der Beschluss des Parteitags.
Auf dem Parteitag war die Parteiführung bemüht, die Kriegsfrage weitgehend auszublenden. Der Leitantrag beklagt sogar, dass bei den letzten Landtagswahlen „Themen wie Außenpolitik wahlentscheidend waren“ und es der Linkspartei nicht gelungen sei, stattdessen die soziale Frage zu betonen. Das will sie jetzt offenbar ändern und ihre Unterstützung der Kriegspolitik mit einigen verlogenen sozialen Phrasen verschleiern.
Die Parteiführer schwadronierten in ihren Sonntagsreden über „Sozialismus“, „Klassenpolitik“ und die „Solidarität mit Geflüchteten“. Konkret formulierten sie im Leitantrag dann allerdings nur einige alte sozialdemokratische Wahlversprechen: „öffentliche Investitionen“, „Mietendeckel“ oder „Teilbereiche der Ökonomie der Profitlogik zu entziehen“. Jeder weiß, dass solche Phrasen das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben stehen. In der Praxis hat Die Linke als Regierungspartei in Berlin, Bremen oder Thüringen die öffentliche Daseinsvorsorge kaputt gespart, Wohnungen an Heuschrecken verscherbelt und Unternehmen privatisiert. Ganz zu schweigen von ihrer brutalen Abschiebepolitik.
Dem abgehalfterten und rechten Programm der Linkspartei entspricht auch das Führungspersonal, das auf dem Parteitag gewählt wurde. Der neue Vorsitzende, Jan van Aken, trat schon in der Vergangenheit als wütender Militarist auf. Bereits im Dezember 2012 hatte er zusammen mit führenden Regierungsvertretern den Aufruf „Syrien: Freiheit braucht Beistand“ unterzeichnet, der zu einer imperialistischen Intervention in Syrien aufrief. Zwei Jahre später war er sogar dabei, als deutsche Waffen an kurdische Kämpfer in Erbil geliefert wurden. Auf der sogenannten Friedensdemo am 3. Oktober marschierte er hinter einem Linkspartei-Transparent mit der Aufschrift „Russland muss raus aus der Ukraine“. Die zweite neue Vorsitzende Ines Schwerdtner war erst vor gut einem Jahr in die Linkspartei eingetreten. Zuvor war sie Chefredakteurin des sozialdemokratischen Jacobin-Magazins, das ebenso für Krieg und Kapitalismus wirbt.
Es passte auch zum Parteitag, dass die frühere Bundessprecherin der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich, als Sprecherin geladen war und minutenlange Standing Ovations erhielt. Heinrich hatte die Kriegspolitik der Ampelkoalition, insbesondere den Krieg gegen Russland und den Völkermord in Gaza, als führendes Mitglied der Grünen vehement unterstützt, war aber zusammen mit dem Rest des Bundesvorstands aus der Partei ausgetreten. Nun versprach sie, mit dem Vorstand der Linkspartei in Kontakt zu bleiben.
In seiner Parteitagsrede machte van Aken deutlich, dass die Linkspartei unter seiner Führung keinerlei Abweichung von der Kriegspolitik akzeptieren wird. „Wenn Ihr mich wählt, kriegt Ihr nicht nur den netten Jan von nebenan, nicht nur die Friedenstaube mit dem Kapuzenpulli, Ihr kriegt auch den Jan, der klipp und klar sagt: jetzt ist Schluss mit Zoff. Niemand beißt mehr in irgendein Mikrofon, nur weil es ihm gerade hingehalten wird. Wer ein Problem hat, der kommt zu Ines und mir und dann diskutieren wir das bis die Köpfe rauchen und dann entscheiden wir das und dann halten sich alle an diese Entscheidung“, drohte van Aken unter dem tosenden Applaus der Delegierten.
Die Linkspartei war 2007 von den alten Stalinisten der PDS und den abgehalfterten SPD-Bürokraten der WASG gegründet worden, um die enorme Opposition gegen die rot-grüne Kürzungs- und Kriegspolitik aufzufangen und so den Kapitalismus zu stabilisieren. Mit der Eskalation der Kriegspolitik und der Zuspitzung der Klassengegensätze ist sie nicht einmal mehr in der Lage, die drängenden Fragen der Zeit auch nur zu thematisieren. Sie vertritt in allen zentralen Bereichen die Regierungslinie und ist unter Arbeitern und Jugendlichen verhasst. Einige verlogene soziale Phrasen in Halle werden daran nichts ändern.