Am Freitag will die Tarifkommission der IG Metall den Tarifabschluss absegnen, den sie letzte Woche für 60.000 Beschäftigte der Stahlkonzerne im Norden und Westen Deutschlands vereinbart hat. Sie will so die Voraussetzungen für die nächste Welle des Jobabbaus schaffen.
Die Einigung hat unter den Stahlarbeitern für Empörung und Wut gesorgt. Der Abschluss senkt erneut die Reallöhne. Verteilt auf die gesamte Laufzeit von 15 Monaten beläuft sich die Erhöhung auf 1,4 Prozent, so der Arbeitgeberverband Stahl.
Doch der erneute Griff in die Taschen der Beschäftigten im Interesse der Aktionäre – so bitter dies für jeden Einzelnen ist – ist noch das geringere Übel. Denn der IGM-Apparat versucht mit dem Abschluss, die tiefgreifende Umstrukturierung der Stahlindustrie in die Wege zu leiten. Thyssenkrupp hat angekündigt, fast die Hälfte seiner 27.000 Arbeitsplätze, insgesamt 11.000, abzubauen. Auch Salzgitter, Arcelor und andere Konzerne verschärfen ihren Sparkurs. Ein Arbeitskampf zur Verteidigung von Arbeitsplätzen und Löhnen war nie dringender als jetzt.
Die Einigung vom 30. September zwischen IG Metall und Arbeitgeberverband soll genau das verhindern. Denn außerhalb von Tarifauseinandersetzungen sind in Deutschland Streiks gesetzlich verboten, es herrscht die sogenannte Friedenspflicht. Die IGM-Funktionäre und ihre pseudolinken Unterstützer wehren jede Forderung nach einem Streik gegen Arbeitsplatzabbau und Lohnsenkungen mit diesem Argument ab.
Am 30. September um 24:00 Uhr wäre die Friedenspflicht in den Tarifverhandlungen abgelaufen. Warnstreiks und Streiks hätten dann stattfinden können – und die IG Metall hatte auch großspurig damit gedroht. Doch wenige Minuten vor Mitternacht schloss sie ab. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde.
Nun drohen weitere Jobvernichtung und Lohnsenkungen. Denn die Stahlindustrie befindet sich inmitten der sich zuspitzenden kapitalistischen Krise. Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump, der eine Präsidialdiktatur aufbaut, strebt angesichts des wirtschaftlichen Niedergangs der Vereinigten Staaten die militärische Neuaufteilung der Welt an, so wie es Deutschland zweimal im 20. Jahrhundert versucht hatte.
Die anderen imperialistischen Nationen, allen voran Deutschland, reagieren ihrerseits mit einer gewaltigen Aufrüstung und einem politischen Rechtsruck. Denn die Kosten für die Aufrüstung sollen durch Angriffe auf die arbeitende Bevölkerung wieder hereingeholt werden. Das geht nicht mit demokratischen Herrschaftsformen.
Die USA überziehen die Welt mit Handelskrieg und Krieg. Hauptziel sind Russland und China, doch auch vor den ehemaligen Verbündeten machen die USA unter Trump nicht Halt. Europäischer Stahl unterliegt einem Zollsatz von 50 Prozent, fast alle anderen Waren werden mit 15 Prozent Zoll belegt.
Handelskrieg und gestiegene Konkurrenz drücken Produktion und Umsätze wichtiger Stahlabnehmerbranchen wie Bau, Maschinenbau und Automobilindustrie. Die Rohstahlproduktion im Inland sank im ersten halben Jahr um knapp zwölf Prozent auf 17,1 Millionen Tonnen, teilte die Wirtschaftsvereinigung Stahl im Sommer mit.
Der von der Europäischen Union eingeführte Emissionshandel sollte die energieintensive europäische Industrie, darunter die Stahlindustrie als einen der größten Emittenten, vor globaler Konkurrenz schützen. Für eine staatlich festgelegte Obergrenze aller erlaubten Emissionen des Treibhausgases CO2 geben die EU-Staaten entsprechende Emissionszertifikate aus. Jedes Zertifikat berechtigt zum Ausstoß von einer Tonne Treibhausgas. Der offene Handel bei gleichzeitiger schrittweiser Reduzierung dieser Zertifikate sollte einen Anreiz für die Reduzierung des CO2-Ausstosses schaffen.
Die meisten europäischen Stahlhersteller haben daher begonnen, auf die Produktion „grünen Stahls“ umzusteigen, also weg von der CO2-internsiven Stahlproduktion mit Kohle und Koks auf die mit Gas und Wasserstoff, hergestellt durch erneuerbare Energien.
Thyssenkrupp errichtet dazu in Duisburg eine Direktreduktionsanlage, die Ende 2027 zwei bestehende Hochöfen ersetzen soll. Im Stammwerk der Salzgitter AG entstehen ebenfalls bis Ende 2027 eine große DR-Anlage, deren Roheisen ein Elektro-Ofen einschmelzen soll, sowie ein Elektrolyseur, der mithilfe von Ökostrom Wasser in Sauer- und Wasserstoff aufspaltet. Bund und Länder unterstützen die Konzerne, Thyssenkrupp erhält 2 Milliarden Euro, Salzgitter 1 Milliarde Euro.
Europas größter Stahlproduzent Arcelor Mittal hat die Milliarden-Pläne für die Umrüstung seiner Werke in Bremen und Eisenhüttenstadt auf „grünen Stahl“ inzwischen gestoppt – wegen „fehlender Wirtschaftlichkeit“. Die 1,3 Milliarden Euro Fördergelder, die Bund und das Land Bremen dem Unternehmen zugesagt hatten, reichten Arcelor Mittal nicht, um hohe Preise für Gas und Strom sowie begrenzte Möglichkeiten der Wasserstoffproduktion wettzumachen.
Während also die Transformation in Europa stockt, hat der staatliche chinesische Stahlkonzern HBIS angekündigt, 10.000 Tonnen grünen Stahls nach Italien zu verkaufen.
In dieser Situation sucht die IG Metall den Schulterschluss mit den Konzernen und der Bundesregierung. Von der Regierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) fordert die Gewerkschaft für die Konzerne einen verbilligten Industriestrompreis, Gelder aus dem 500-Milliarden-Investitionsfonds zur „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“ sowie Gegenzölle auf Stahl aus China und anderen außereuropäischen Staaten.
Mit den Konzernen schließt sie Verträge, die den Abbau von Zigtausenden von Arbeitsplätzen und Lohnsenkungen beinhalten, um die Kosten zu senken und die Profite abzusichern. Der Abbau von fast der Hälfte der Arbeitsplätze und 8-prozentige Einkommenskürzungen bei Thyssenkrupp sind erst der Anfang.
Denn die IG Metall unterstützt wie alle Gewerkschaften die Kriegspolitik der schwarz-roten Bundesregierung. Ein wiederkehrendes Argument der IG Metall in ihrer Verteidigung der Stahlindustrie ist die „Versorgungssicherheit in Notfällen“ – sprich: im Krieg. Die Stahlkonzerne sollen erhalten bleiben, um hochwertigen Stahl für Panzer, Waffen und Geschütze herstellen zu können. Deshalb hat die Gewerkschaft die Tarifverhandlungen unter das Motto gestellt „Tarifrunde der Verantwortung“. Verantwortung trägt sie so für Deutschlands imperialistische Interessen auf dem Rücken der Belegschaften.
Diese Entwicklung muss gestoppt werden, bevor es zu spät ist. Die Verhinderung des aktuellen Tarifvertrags muss ein erster Schritt in diese Richtung sein. 100 freigestellte Betriebsräte und hauptberufliche Gewerkschaftsfunktionäre, deren Posten gesichert sind, wollen am Freitag in Düsseldorf in der Tarifkommission die Abwärtsspirale in Arbeitslosigkeit, Armut und Krieg festschreiben. Das sind einige von ihnen:
- Knut Giesler, Verhandlungsführer, Bezirksleiter IG Metall NRW
- Ali Güzel, Betriebsratsvorsitzender Thyssenkrupp Stahl, Duisburg/Beeckerwerth
- Helmut Renk, Betriebsratsvorsitzender Thyssenkrupp Stahl, Kreuztal-Eichen
- Wolfgang Kleber, Betriebsratsvorsitzender Arcelor Mittal, Duisburg-Ruhrort
- Mike Böhlken, Betriebsratsvorsitzender Arcelor Mittal, Bremen
- Ralf Heppenstiel, Betriebsratsvorsitzender Outokumpu, Dillenburg
- Dirk Riedel, Vertrauenskörperleiter Thyssenkrupp Steel, Hamborn/Beeckerwerth
- Nils Knierim, Vertrauenskörperleiter Salzgitter Flachstahl
- Markus Beckmann, Vertrauenskörperleiter Georgsmarienhütte
- Murat Develioglu, Vertrauenskörperleiter Arcelor Mittal, Bremen
- Selin Cakir, JAV-Vorsitzende Salzgitter Flachstahl
Wir rufen Stahlarbeiterinnen, Stahlarbeiter und Auszubildende auf: Bereitet euch darauf vor, unabhängig und gegen den Gewerkschaftsapparat für eure Interessen einzutreten.
Der Tarifabschluss darf nicht akzeptiert werden und der Tarifkommission der IG Metall muss das Verhandlungsmandat entzogen werden. Dazu ist es notwendig, von der Gewerkschaft unabhängige Aktionskomitees aufzubauen, die nur der Basis verpflichtet sind und sich branchenweit und international vernetzen.
Der Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze muss sich auch gegen die Handelskriegs- und Kriegspolitik der Regierung richten, die auf dem Rücken der Arbeiter ausgetragen wird. Nicht die Profitinteressen, sondern die Rechte und Bedürfnisse der Arbeiter müssen im Zentrum stehen.
Meldet euch per Whatsapp unter +491633378340 und füllt das untenstehende Formular aus, um am Aufbau von Aktionskomitees teilzunehmen. Die Daten werden streng vertraulich behandelt.