Massenentlassungen, Handelskrieg und Krieg – Was tun?

Die Krise in der deutschen und europäischen Auto- und Zulieferindustrie nimmt dramatische Ausmaße an. Es vergeht kein Tag ohne neue Hiobsbotschaften. Die großen Hersteller – Volkswagen, Mercedes, Bosch, ZF, Porsche, Ford, Audi usw. – kündigen einen immer umfassenderen Arbeitsplatzabbau an, oft im vier- bis fünfstelligen Bereich. Gleichzeitig werden tagtäglich hunderte Stellen in zahllosen mittelständischen Unternehmen abgebaut.

Tausende VW-Arbeiter nehmen an einer Kundgebung während eines landesweiten Warnstreiks auf dem Gelände des Volkswagen-Hauptwerks in Wolfsburg am 2. Dezember 2024 teil [AP Photo/Julian Stratenschulte]

Eine Studie des Unternehmensberaters EY zeigt auf, dass in Deutschland binnen eines Jahres über 50.000 Arbeitsplätze in der Autoindustrie vernichtet wurden.

  • Volkswagen baut im Rahmen eines Rationalisierungsprogramms 35.000 Arbeitsplätze ab, jede vierte Stelle in Deutschland, davon allein in Wolfsburg 15.000. Zusätzlich werden Löhne und Gehälter um bis zu 20 Prozent gekürzt.
  • Bei Ford in Saarlouis ist die Stilllegung bereits beschlossen. In wenigen Tagen läuft dort der letzte Wagen vom Band. Von den einst 7.000 Beschäftigten bleibt nur noch eine Abbau-Truppe von etwa Tausend übrig.
  • Auch das Ford-Stammwerk in Köln mit seinen noch 11.000 Beschäftigten steht auf der Kippe. Eine ARD-Dokumentation hat Stilllegungspläne bekannt gemacht und der Vorstand kündigt einen massiven Arbeitsplatzabbau an.
  • Bosch, der weltweit größte Autozulieferer, baut 22.000 Arbeitsplätze ab. Bereits im letzten Jahr hatte Bosch den Abbau von 9000 Arbeitsplätzen angekündigt. Im September wurde diese Zahl um 13.000 erhöht. Es ist der größte Abbau in der Geschichte des Unternehmens.
  • ZF Friedrichshafen hatte bereits im vergangenen Jahr den Abbau von 14.000 Arbeitsplätzen angekündigt und damit gedroht, die gesamte Antriebssparte (20.000 Beschäftigte) auszugliedern. Im Oktober vereinbarte die IG Metall massive Lohnsenkungen.

Die Liste ließe sich nahezu unbegrenzt fortsetzen. Viele deutsche und europäische Elektromodelle finden keinen Käufer und stehen auf Halde.

Dazu kommen die immer schärferen Auswirkungen des weltweiten Zoll- und Handelskriegs. Zwar wurden die Importzölle von 25 % auf Fahrzeuge und Fahrzeugteile aus der EU, die die Trump-Regierung im Frühjahr angekündigt hatte, später auf 15 % reduziert, sie liegen aber noch immer deutlich über dem früheren Niveau von 2,5 %. Volkswagen, der größte europäische Autobauer, gab im ersten Quartal 2025 einen Rückgang des operativen Ergebnisses um 37% bekannt und nennt die US-Zölle als wesentlichen Faktor.

In der vergangenen Woche spitzte sich die Krise erneut zu. Nachdem die niederländische Regierung im September auf Druck der US-Regierung die Kontrolle über den Chiphersteller Nexperia, der zum chinesischen Elektronikkonzern Wingtech gehört, übernommen und den chinesischen Vorstandsvorsitzenden abgesetzt hatte, verhängte die chinesische Regierung eine Exportstopp gegen den weltweit größten Anbieter einfacher Halbleiterchips.

Die Auswirkungen sind verheerend. Denn Nexperia fertigt weltweit die Hälfte der Standardchips, die in fast jedem elektrischen Gerät enthalten sind und in der Autoindustrie für Fensterheber, Airbags, LED-Scheinwerfer, Motorsteuerungen und vieles mehr gebraucht werden.

VW und viele andere Konzerne bereiten Kurzarbeit vor und kündigen Produktionsstopp an. Das Handelsblatt titelte Anfang der Woche, „Chipkrise könnte Deutschland drittes Rezessionsjahr bescheren“, und schrieb: „Die Bundesregierung rechnet für das laufende Jahr nur mit einem Miniwachstum von 0,2 Prozent. Das könnte hinfällig sein, wenn die Produktion in der Autoindustrie wegen Chipmangels länger ruht.“

Die IG Metall, die über zwei Millionen Mitglieder hat und sich gern als größte Einzelgewerkschaft der Welt bezeichnet, unternimmt nichts, um die Arbeitsplätze zu verteidigen. Im Gegenteil. Ihre Funktionäre sitzen in den Aufsichtsräten und sind über alle Entlassungspläne frühzeitig informiert. Sie stimmen bei der Bewertung der wirtschaftlichen Lage in den wesentlichen Punkten mit den Kapitaleignern und den Managern überein und arbeiten die Rationalisierungsprogramme, Entlassungs- und Stilllegungspläne aus.

Im Handelskrieg stehen sie uneingeschränkt an der Seite der deutschen Konzerne, vertiefen die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung und fordern eine „nationale Industrie-Politik“ – soll heißen: ein stärkeres und aggressiveres Eintreten für deutsche Wirtschaftsinteressen auf der ganzen Welt. Auf den Wirtschaftskrieg der Trump-Administration und die Parole „America first!“ antworten sie mit „Deutschland über alles!“

Der IG Metall-Vorstand unterstützt die militärische Aufrüstung und Kriegspolitik der Regierung und setzt sich für die Umstellung der Produktion auf Rüstungsgüter ein. Wie die Konzernchefs und die Bundesregierung hält die IG Metall-Führung Sozialabbau und Lohnsenkungen im Namen der Wettbewerbsfähigkeit und Kriegstüchtigkeit für unverzichtbar.

Deshalb setzt sie ihren betrieblichen Funktionärsapparat, der aus vielen tausend Vertrauensleuten und Betriebsräten besteht, als Betriebspolizei ein, um den Abbau von Arbeitsplätzen, Lohnsenkungen und soziale Verschlechterungen durchzusetzen. Um das zu erreichen, organisiert die Gewerkschaft mitunter Pseudo-Proteste, die nur dazu dienen, Dampf abzulassen, und geht mit Drohungen und Einschüchterungen gegen jeden vor, der für einen ernsthaften Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze, Löhne und Sozialstandards eintritt.

Viele Arbeiter fragen sich, was angesichts dieser Situation getan werden kann, und suchen nach einer Möglichkeit, die Zwangsjacke des Gewerkschaftsapparats zu durchbrechen.

Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) schlägt folgende Strategie vor:

1. Es ist notwendig, eine neue Organisationsstruktur aufzubauen, die es ermöglicht, die große wirtschaftliche und politische Kraft der Arbeiterklasse zu entfalten und ihr Selbstbewusstsein über die eigene Stärke zu entwickeln. Es sind die vielen Millionen Beschäftigten in der Produktion und Verwaltung, die den gesellschaftlichen Reichtum schaffen. Die Arbeiterklasse ist die produzierende und wertschaffende Kraft in der Gesellschaft.

Die SGP hat bereits begonnen, den Aufbau von Aktionskomitees anzuregen und zu unterstützen. Darin schließen sich diejenigen Kolleginnen und Kollegen zusammen, die sich nicht länger dem Diktat der Gewerkschaftsfunktionäre unterordnen und ernsthaft kämpfen wollen. Als die Betriebsräte bei Ford in Saarlouis und im spanischen Almussafes bei Valencia einem schändlichen „Bieterwettbewerb“ zustimmten und die deutschen und spanischen Ford-Arbeiter gegeneinander ausspielten, schlossen sich einige Arbeiter im Ford-Aktionskomitee zusammen und organisierten Widerstand.

Jetzt kommt es darauf an, den Aufbau von Aktionskomitees in allen Betrieben zu entwickeln und zum Auftakt einer neuen Arbeiterbewegung zu machen, die die Lebensinteressen der Arbeiter und ihrer Familien höherstellt als die Profitinteressen der Konzerne, Aktionäre und Spekulanten.

2. Erfolgreicher Widerstand erfordert eine korrekte Einschätzung der Situation. Die unmittelbaren Probleme in den Betrieben stehen in direktem Zusammenhang mit Aufrüstung und Krieg. Es ist deshalb nötig, den Kampf gegen Massenentlassungen, Lohnsenkung und Sozialabbau mit dem Kampf gegen militärische Aufrüstung, Krieg und Völkermord zu verbinden. Die Unterstützung des grauenhaften Genozids in Gaza durch die Bundesregierung und die zig Milliarden Euro, mit denen sie den Krieg und das Massenschlachten in der Ukraine finanziert, zeigen, was die Regierung auch hier vorhat.

Die Krise in der Autoindustrie ist keine vorübergehende Konjunkturkrise, die sich in absehbarer Zeit beruhigen und wieder zu stabilen Verhältnissen führen wird. Es ist auch keine Struktur- oder Transformations-Krise, die durch die Umstellung auf E-Mobilität hervorgerufen wird und nach dem Erfolg der neuen Technologie überwunden sein wird. Vielmehr handelt es sich bei der Autokrise um einen scharfen Ausdruck der historischen Krise des kapitalistischen Systems im Weltmaßstab. Die enge internationale Vernetzung und Globalisierung der Produktion hat dazu geführt, dass es in keinem Land mehr ein nationales Auto – oder ein anderes rein nationales Produkt – gibt. Sie hat den Gegensatz zwischen der internationalen Produktion und dem veralteten Nationalstaatensystem, auf dem der Kapitalismus beruht, extrem verschärft.

Jedes Land kämpft jetzt um Rohstoffe, Energiequellen und Absatzmärkte, der internationale Handelskrieg wird zur Vorstufe eines Weltkriegs. Im vergangenen Jahrhundert hat diese historische Krise des Kapitalismus bereits faschistische Diktaturen und zwei Weltkriege hervorgebracht.

Damals wurde klar, dass es nur eine gesellschaftliche Kraft gibt, die in der Lage ist, die Kriegsentwicklung zu stoppen: die internationale Arbeiterklasse. Der Erste Weltkrieg wurde durch die Machtübernahme der Arbeiterklasse in Russland und die Errichtung des ersten Arbeiterstaats beendet. Der Zweite Weltkrieg endete mit der Niederlage Nazi-Deutschlands, wobei die Sowjetunion die Hauptlast im Kampf gegen die deutsche Kriegsmaschinerie trug und 27 Millionen Arbeiter und Soldaten verlor.

Auch heute rückt der Kampf gegen Krieg wieder ins Zentrum des Klassenkampfs. Denn Krieg führt zu Diktatur und Zwangsverpflichtung und macht alle Tarifverträge über Löhne und Arbeitsrechte zu Makulatur. Die Bundesregierung treibt das größte Aufrüstungsprogramm seit Hitler voran und finanziert es durch massive Sozialkürzungen bei Arbeitslosen, Rentnern, an Schulen und im Gesundheitssystem. Sie wird dabei von allen Bundestagsparteien unterstützt.

In den Aktionskomitees müssen Pläne ausgearbeitet und diskutiert werden, wie der Kampf gegen Massenentlassungen mit der Mobilisierung gegen Krieg und Aufrüstung verbunden und koordiniert wird.

3. Die zentrale Strategie der Aktionskomitees muss Internationalismus sein. Handelskrieg und Krieg sind mit hysterischem Nationalismus und Chauvinismus verbunden. Die Gewerkschafts-Bürokraten verbreiten mit ihren Forderungen nach einer nationalen Industriepolitik und Standortsicherung das Gift des Nationalismus. Sie spalten die Arbeiterklasse und spielen Arbeiter in einem Land gegen die anderer Länder oder sogar anderer Regionen aus.

Die Aktionskomitees setzen dieser reaktionären Spalterpolitik die Strategie der Einheit und engen Zusammenarbeit der weltweiten Arbeiterklasse entgegen. Arbeiter haben kein Vaterland – nicht im Krieg und nicht im Handelskrieg. Arbeiter haben überall dieselben oder sehr ähnliche Probleme und sind mit denselben globalen Konzernen und mit Regierungen konfrontiert, die die Ausbeutung verschärfen und jeden Widerstand dagegen brutal unterdrücken.

Die jüngsten Massendemonstrationen in den USA gegen die Diktaturmaßnahmen und sozialen Angriffe der Trump-Regierung, an denen sich viele Millionen beteiligten, kündigen eine Aufstandsbewegung der amerikanischen Arbeiter an. Diese Radikalisierung der amerikanischen Arbeiter ist von welthistorischer Bedeutung.

Als vor dreieinhalb Jahrzehnten die Sowjetunion aufgelöst wurde, war das mit einer intensiven Propaganda verbunden, welche die USA als Zentrum von Freiheit und Demokratie darstellte. Heute zeigt die Trump-Regierung mit ihren faschistischen Attacken auf elementare demokratische Rechte und soziale Einrichtungen das wahre Gesicht des US-Imperialismus. Während Regierungen auf der ganzen Welt von der Rücksichtslosigkeit und der Brutalität der Trump-Administration fasziniert sind und ihre Methoden übernehmen, wächst mit der zunehmenden Opposition amerikanischer Arbeiter gegen Trump ein wichtiger Verbündeter der europäischen und internationalen Arbeiterklasse.

Schon jetzt gibt es in mehreren amerikanischen Autowerken Aktionskomitees. Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) gewinnt immer größere Bedeutung und wird zum Zentrum für den Aufbau einer neuen Arbeiterbewegung.

Auch in Europa wächst der Widerstand. In Frankreich beteiligten sich Millionen an Protesten und Streiks gegen die Rentenkürzungen und sozialen Angriffe des verhassten Macron-Regimes. In Italien demonstrierten zwei Millionen gegen die faschistische Politik von Meloni und ihre Unterstützung des Völkermords in Gaza. Hafenarbeiter in mehreren Ländern stoppten Waffenlieferungen nach Israel. Während sich die Europäische Union immer deutlicher von einer Wirtschaftsvereinigung zu einem Militär- und Kriegsbündnis entwickelt, eröffnet die Mobilisierung und Zusammenarbeit der europäischen Arbeiter mehr und mehr den Weg für den Aufbau vereinigter sozialistischer Staaten von Europa.

Der Kampf für Internationalismus bedeutet auch die prinzipielle Verteidigung von Migranten und Asylsuchenden. Die kriminelle und unmenschliche Abschiebepolitik der Bundesregierung und ihre Unterstützung durch die Gewerkschaftsapparate muss mit allen Mitteln bekämpft werden.

4. Die Aktionskomitees wenden sich an alle Arbeiter die gegen Massenentlassungen, Sozialabbau und Krieg kämpfen und die Kontrolle der Gewerkschaftsapparate durchbrechen wollen. Gleichzeitig bilden sie eine Plattform für die Verbreitung und Diskussion sozialistischer Perspektiven und den Aufbau der Sozialistischen Gleichheitspartei zur neuen revolutionären Arbeiterpartei.

Viele Arbeiter beklagen, dass keine Partei im Bundestag ihre Interessen vertritt, und das stimmt. Die SPD hat schon seit langem die Seiten gewechselt und ist die Haupt-Kriegspartei des deutschen Imperialismus. Während Verteidigungsminister Pistorius durchs Land reist und Kriegstüchtigkeit predigt, setzt SPD-Chef und Finanzminister Klingbeil einen Sparhaushalt durch, der alle Sozialbereiche kurz und klein schlägt und die Militärausgaben verdreifacht.

Die Linkspartei ist keine Alternative. Sie hat schon zu DDR-Zeiten das SED-Regime mit Sozialismus gleichgesetzt und behauptet jetzt, dass es möglich sei, den Kapitalismus zu humanisieren und sozial zu gestalten, während sie gleichzeitig die Merz-Regierung unterstützt. Ihre Behauptung, die AfD könne durch eine Zusammenarbeit mit der gegenwärtigen Regierung bekämpft werden, ist völlig bankrott. In Wahrheit ist es genau umgekehrt. Die Merz-Regierung arbeitet immer enger mit der AfD zusammen und ihre Kriegspolitik bereitet den Rechtsextremen Weg.

Die Regierung hat den Begriff der „Zeitenwende“ geprägt und meint damit den Übergang zu Kriegstüchtigkeit, Sozialangriff und Diktatur und Faschismus.

Die Gründung von Aktionskomitees leitet die Zeitenwende im Kampf der Arbeiterklasse ein. So wie die herrschende Klasse wieder an ihre reaktionäre Tradition von Imperialismus, Krieg und Faschismus anknüpft, muss die Arbeiterklasse an ihre revolutionäre, sozialistische Tradition anknüpfen. Die Beschäftigten in der Auto- und allen anderen Industrien müssen jede Aktion zur Verteidigung ihrer Arbeitsplätze, Löhne und Sozialstandards von diesem Standpunkt aus angehen und vorbereiten.

Wer mit dieser Ausrichtung übereinstimmt, den rufen wir auf, sich mit uns in Kontakt zu setzen, um den pausenlosen Angriffen Einhalt zu gebieten. Füllt das Formular aus oder schreibt eine Nachricht über WhatsApp an die +491633378340.

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