Perspektive

Boeing-Belegschaft stimmt erneut gegen Tarifeinigung der Gewerkschaft

Unterstützt den Streik bei Boeing in den USA!

An einem Streikposten der Boeing-Mechaniker, Renton (Washington)

Am 23. Oktober hat die Belegschaft des Boeing-Werks Renton in den USA eine von der Gewerkschaft IAM ausgehandelte Tarifeinigung erneut abgelehnt. In der Urabstimmung sprachen sich 64 % dagegen aus. Die mehr als 33.000 Beschäftigten ließen sich nicht einschüchtern. Sie weigerten sich, die unter staatlicher Vermittlung ausgehandelte Vereinbarung zu akzeptieren und ihren sechswöchigen Streik zu beenden.

Die vorgeschlagene Einigung lief auf eine Diktatur des Unternehmens hinaus. Sie sah unzureichende Lohnerhöhungen unterhalb der Inflationsrate vor, nachdem die Löhne und Gehälter bereits zehn Jahre lang nicht gestiegen sind. Außerdem wurden die Rentenansprüche nicht wiederhergestellt, die bei der Vertragsverlängerung 2014 hinterrücks gestrichen worden waren. Vor allem aber hätte das Unternehmen grünes Licht für 17.000 Entlassungen und weitere Angriffe erhalten, um die Kosten für die massive Sicherheitskrise bei seiner 737-Modellserie auf dem Rücken der Beschäftigten auszutragen.

Das Votum ist ein harter Schlag gegen das Boeing-Management und die Bürokratie der Gewerkschaft International Association of Machinists (IAM). Die IAM-Funktionäre hatten von Anfang an keinen Arbeitskampf gewollt. Als sie ihn nicht mehr verhindern konnten, versuchten sie, die Arbeiter durch extrem niedrige Streikgelder auszuhungern. Außerdem weigerten sie sich, die Streikposten angemessen zu besetzen, und würgten einen parallelen Streik bei Textron Aviation ab.

Die Urabstimmung ist auch ein Schlag gegen die Regierung Biden, die sich darauf verlassen hatte, dass die Gewerkschaftsführer den Streik gegen ein großes Rüstungsunternehmen beenden. Die herrschende Klasse hat keinen Hehl daraus gemacht, dass sie von einer Gefahr für die „nationale Sicherheit“ ausgeht, ist der US-Imperialismus doch gerade dabei, einen weiteren Krieg anzuzetteln, dieses Mal gegen den Iran. Nach den Präsidentschaftswahlen Anfang November soll dieser Kurs verstärkt werden. Dafür brauchen die Regierenden „Ruhe an der Arbeitsfront“ im eigenen Land, um die Kriegsindustrie am Laufen zu halten und die Opposition der Bevölkerung niederzuhalten.

Die Arbeiter auf der ganzen Welt haben die Pflicht, sich hinter den Streik bei Boeing zu stellen. Notwendig sind breit angelegte Massenaktionen, die mit Streikposten und Protesten beginnen und in einem Generalstreik gipfeln. Die Kraft der Arbeiterklasse in den USA und international muss eingesetzt werden, um der Konzernoligarchie eine massive Niederlage beizubringen.

Organisiert werden muss dieser Widerstand durch eine bewusste Rebellion gegen die unternehmensfreundliche Gewerkschaftsbürokratie. „Die Erfahrungen der letzten Wochen haben gezeigt, dass das Haupthindernis für unsere Einheit die Diktatur der Bürokratie in den Gewerkschaften ist“, heißt es in der Erklärung des Aktionskomitees (Workers Rank-and-File Committee) bei Boeing, in der zur Ablehnung der Tarifeinigung aufgerufen wurde. „Wir müssen einen breiten Appell mit einem Aufstand der Basis verbinden, um die Macht vom Apparat auf die Arbeiter selbst zu übertragen.“

Die unabhängige Stärke der Arbeiterklasse muss durch den Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) als globale Rebellion der Basis mobilisiert werden, um den Würgegriff eines staatsnahen Gewerkschaftsapparats zu brechen und die enorme soziale Macht der Arbeiterklasse freizusetzen. Arbeiter auf der ganzen Welt kämpfen gegen den Ausverkauf von Tarifkämpfen: von den Automobilarbeitern, denen Massenentlassungen drohen, bis hin zu Eisenbahnern, Postlern und Logistikarbeitern.

Notwendig ist insbesondere ein Appell an die Arbeiter in der Luft- und Raumfahrtindustrie auf der ganzen Welt. Hierzu gehören u. a. die Belegschaften von Embraer in Brasilien, die ebenfalls gerade eine miserable Tarifeinigung abgelehnt haben, die Airbus-Belegschaften, denen Massenentlassungen drohen, und die Beschäftigten der Luft- und Raumfahrtindustrie bei Eaton (einem wichtigen Boeing-Zulieferer), die in den USA und Großbritannien die Arbeit niedergelegt haben.

Das Potenzial für eine gemeinsame, breit angelegte Bewegung wurde am Donnerstagabend beim Zulieferer Eaton in Michigan deutlich. Dort haben mehr als 500 Beschäftigte, die sich seit mehr als fünf Wochen im Streik befinden, einen von der Gewerkschaft UAW vorgelegten Ausverkaufsvertrag ein zweites Mal mit noch größerer Mehrheit abgelehnt als bei der ersten Urabstimmung. Weitere 400 Eaton-Beschäftigte, die der IAM angehören, legten Anfang dieser Woche in Illinois die Arbeit nieder.

Die Ausweitung des Klassenkampfs in den USA – der Boeing-Streik ist nur das jüngste Beispiel – hat globale Auswirkungen. Die zunehmende Stimmung von Unnachgiebigkeit, Entschlossenheit und Optimismus in der amerikanischen Arbeiterklasse kann das Kräfteverhältnis in allen Ländern zugunsten der Arbeiter und aller, die sich gegen Unterdrückung wehren, verändern.

Insbesondere zeigt der Streik gegen dieses Rüstungsunternehmen, wie die Arbeiterklasse gegen Krieg mobilisiert werden kann. Wenige Tage vor der Urabstimmung bei Boeing hatten sich Hafenarbeiter in Griechenland geweigert, Munition zu verladen, die für das israelische Militär bestimmt war und für den Völkermord in Gaza und den Krieg im gesamten Nahen Osten eingesetzt werden sollte.

Die Abstimmung bei Boeing fand weniger als zwei Wochen vor den US-Präsidentschaftswahlen statt, die von einer enormen Krise der Klassenherrschaft geprägt sind. Trump und die Republikaner hetzen zu faschistischer Gewalt auf und bereiten sich darauf vor, gegen eine mögliche Wahlniederlage zu putschen. Die Demokraten ihrerseits konzentrieren sich auf die Eskalation ihrer weltweiten Kriegspläne. Noch vor dem Wahltag könnte es zu einem Militärschlag gegen den Iran kommen.

Die Abstimmung bei Boeing macht deutlich, dass die Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage ihrer eigenen Interessen die einzig wirksame Antwort auf die kapitalistische Reaktion ist.

Bezeichnenderweise ist gerade die Wiederherstellung der Rentenansprüche zu einer zentralen Forderung der Boeing-Beschäftigten geworden. Sie kämpfen für das Prinzip, dass Arbeiter das Recht auf einen abgesicherten Ruhestand und einen angemessenen Lebensstandard haben.

Die Bewegung zur Unterstützung der Boeing-Belegschaft muss sich den Grundsatz zu eigen machen, dass Arbeiter unveräußerliche soziale Rechte haben. Dazu gehören das Recht auf einen sicheren Ruhestand, das Recht auf Arbeit und ein existenzsicherndes Einkommen, das Recht auf angemessenen und erschwinglichen Wohnraum, auf genügend Freizeit und auf eine hochwertige Gesundheitsversorgung.

Das Boeing-Management hingegen kämpft im Namen der gesamten herrschenden Kapitalistenklasse für das „Recht“ des Managements, die Arbeitnehmer unbegrenzt auszubeuten. „Es gibt kein Szenario, in dem das Unternehmen wieder eine festgelegte Altersrente für diese oder eine andere Bevölkerungsgruppe einführt“, ließ das Unternehmen am Donnerstag verlauten.

Boeing verweigert jedes Zugeständnis, weil die Unternehmensleitung weiß, dass die Wall Street und die Regierung hinter ihr stehen. Sollte es der Regierung Biden nicht gelingen, den Streik durch einen von den Gewerkschaften unterstützten Ausverkauf zu beenden, wird sie zu repressiven Methoden greifen. Das Verbot eines landesweiten Bahnstreiks im Jahr 2022 ist für die Beschäftigten von Boeing eine Lehre und Warnung zugleich.

Das einzig wirksame Mittel gegen die drohende staatliche Intervention ist eine Massenmobilisierung hinter dem Streik, unabhängig von den kapitalistischen Parteien und ihren Lakaien in der Gewerkschaftsbürokratie.

Der Streik hat die unüberbrückbaren Klassengegensätze in der Gesellschaft ans Tageslicht gebracht. Die herrschende Klasse will alle Mittel der Gesellschaft für den Krieg mobilisieren. Die Arbeiter dagegen können ihre Anliegen nur verwirklichen, wenn sie die politische Macht selbst in die Hand nehmen und die Ressourcen der Gesellschaft bündeln, um den Lebensstandard der Weltbevölkerung deutlich anzuheben und soziale Ungleichheit, Krieg und die Gefahr von Diktaturen zu beenden.

Daher muss der Kampf bei Boeing mit dem Aufbau einer politischen Bewegung in der Arbeiterklasse verbunden werden, die sich auf ihre eigenen revolutionären Interessen stützt. Boeing und andere Großunternehmen müssen in öffentliches Eigentum überführt und von den Arbeitern selbst demokratisch geführt werden. Dies muss Teil der sozialistischen Umstrukturierung der Weltwirtschaft sein, die auf die Bedürfnisse der Menschen und nicht auf den Profit der Unternehmen ausgerichtet ist.

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