Griechenland: 76 Tote bei Brandkatastrophe nahe Athen

In der griechischen Region Attika nahe der Hauptstadt Athen wüten seit Montag katastrophale Waldbrände. Laut aktuellen Angaben kamen bislang 76 Menschen in der Feuerbrunst ums Leben, doch die Opferzahlen werden vermutlich noch steigen. Es handelt sich um die größte Brandkatastrophe seit 2007, als in ganz Griechenland verheerende Feuer ausbrachen und über 80 Menschen starben.

Im Großraum Athen wurde der Notstand ausgerufen und die Regierung hat eine dreitägige Staatstrauer angekündigt. Über 600 Feuerwehrmänner sind im Einsatz; die Armee unterstützt mit Flugzeugen, Helikoptern und Schiffen. Die Regierung hat außerdem internationale Hilfe angefordert. Die Krankenhäuser melden mehr als 190 Verwundete, von denen mindestens elf in Lebensgefahr schweben.

Das Feuer war an zwei unterschiedlichen Orten gleichzeitig ausgebrochen: eines in einem Pinienwald in der Nähe von Kineta, etwa 50 Kilometer westlich Athens, und ein weiteres in einem Wald in Penteli nordöstlich der Stadt. Auch in anderen Teilen Griechenlands, vor allem auf der Insel Kreta, toben zurzeit Waldbrände.

Aufgrund der andauernden Dürre und Hitze mit Temperaturen um die 40 Grad und wegen heftiger Winde bis zu Windstärke 9 breiteten sich die Flammen vor allem in Ostattika in rasender Geschwindigkeit aus und drangen Richtung Meeresküste vor. Zahlreiche Athener besitzen in dieser Region Ferienwohnungen und machen hier zurzeit Urlaub.

Höllische Szenen spielten sich rund um die Hafenstadt Rafina ab. Der beliebte Badeort Mati, wo die meisten Opfer zu beklagen sind, brannte in kürzester Zeit vollständig aus. Bilder von verkohlten Häuserruinen und ausgebrannten Autos erinnern an ein Kriegsgebiet. Das Feuer erfasste in Windeseile die Häuser, so dass viele Einwohner – ganze Familien – keine Zeit mehr hatten, um zu fliehen. Ein Reporter des Nachrichtensenders Skai berichtete, dass immer neue verkohlte Leichen entdeckt werden, darunter zwei Frauen, die ihre toten Kinder umklammerten.

Viele versuchten in ihren Autos zu entkommen, wurden aber auf dem Weg von Flammen eingeschlossen und rannten in alle Richtungen um ihr Leben. Besonders tragisch endete das Schicksal einer Gruppe von 26 Menschen, die sich in ein Feld retten wollten, doch dort vom Feuer umzingelt wurden ­­und alle verbrannten. Die Helfer fanden die Leichen eng aneinandergedrängt, darunter Familien.

Andere flüchteten zur Küste, doch nicht alle erreichten einen der Strände. Viele stießen auf Felsen und mussten dort auf die Rettungshelfer warten. Eine Jugendliche sprang in Panik von der Klippe und konnte nur noch tot aus dem Meer geborgen werden.

Der griechische Überlebende Kostas Laganos schilderte seine Flucht gegenüber der BBC: „Zum Glück lag das Meer vor uns und wir sprangen hinein, denn die Flammen verfolgten uns bis zum Wasser. Wir erlitten Verbrennungen am Rücken, bevor wir ins Wasser tauchen konnten.“

Über 700 Menschen wurden mit Fischerbooten und Schiffen von den Küsten gerettet. Die Medien zeigten Kinder, Ältere, Männer und Frauen, die umgeben von dichtem, stickigen Rauch durch das Wasser wateten oder auf Holzstühlen ausharrten, im Hintergrund dunkle Rauchschwaden, die bis nach Athen sichtbar waren und dort einen düsteren Schleier über die Sonne legten.

Nach derzeitigem Stand wurden über 1.000 Gebäude, darunter Wohnhäuser und Geschäfte und mindestens 300 Autos zerstört. Hunderte Menschen mussten ihr Hab und Gut zurücklassen und sind jetzt ohne Obdach. Während die Notversorgung und -unterbringung seitens der Behörden zunächst schleppend in Gang kam, war die Solidarität der Bevölkerung groß. Viele boten Unterkunft, spendeten Blut und halfen mit Lebensmitteln. Zahlreiche Menschen aus der größeren Umgebung und mehrere Kinderzeltlager mussten evakuiert werden.

Die Rettungs- und Löscharbeiten wurden durch die starken und drehenden Winde, aber auch durch die nächtliche Dunkelheit von Montag auf Dienstag gehemmt. Doch dass die Katastrophe so dramatische Ausmaße annimmt, ist nicht nur das Ergebnis der Wetterverhältnisse, sondern hat gesellschaftliche Ursachen.

Obwohl Griechenland jedes Jahr mit riesigen Waldbränden konfrontiert ist und die Gefahren der sommerlichen Hitze gut kennt, ist das Land nicht darauf vorbereitet. Laut der Financial Times wurde auch noch Stunden nachdem das Feuer ausgebrochen war, kein offizieller Aufruf zur Evakuierung ausgegeben. Ein Journalist des Staatssenders ERT, der selbst zum Zeitpunkt des Feuers mit seiner Familie dort war, schilderte die fehlende Infrastruktur und Vorbereitung auf solche Katastrophenfälle.

Die Hauptstraße von Mati, Leoforos Marathonas, wurde für viele Menschen zur Falle, weil sie zu eng gebaut ist und nicht ausreichend Platz für die Durchfahrt von Rettungsfahrzeugen bietet. Auch die zahlreichen Gassen und Sackgassen erschwerten das Durchkommen. Ein Notfallplan war entweder nicht existent oder den Einwohnern nicht bekannt, so dass diese panisch nach Auswegen suchten und feststeckten. Auch die Informierung der Betroffenen über Radio oder andere Kanäle war unzureichend. Der rasche Stromausfall wurde dadurch beschleunigt, dass die Strommasten in den Orten noch aus Holz gebaut sind und abbrannten.

Die genauen Ursachen der Brandkatastrophe sind zu diesem Zeitpunkt zwar noch unklar. Doch vieles deutet auf Brandstiftung hin. Der Präsident der Panhellenischen Union der freiwilligen Feuerwehr, Serafim Tsiougris, erklärte gegenüber ERT: „Ich kann ohne jede Vorbehalte sagen: Das ist kein zufälliges Ereignis. Wenn ein großes Feuer in Kineta ausbricht und gleichzeitig Meldungen von Bränden an mehreren Orten Attikas kommen, dann ist das sehr beunruhigend.“ Mehrere Medien und Behördenvertreter äußerten ebenfalls die Vermutung der Brandstiftung, da das Feuer gleichzeitig an gänzlich unterschiedlichen Stellen ausbrach. Die Regierung hat bereits eine Untersuchung angeordnet.

Waldbrände in Griechenland werden sehr häufig von kriminellen Bodenspekulanten entfacht, die neues Bauland erschließen wollen. Ihr Ziel ist es, auf den abgebrannten Waldflächen illegal Immobilien zu bauen, die sie im Nachhinein von den Behörden absegnen lassen. Sie stützen sich auf „flexible“ Gesetze und die Tatsache, dass Griechenland als einziges europäisches Land kein Forstregister hat. Dabei haben sie es aufgrund der hohen Immobilienpreise gerade auf Küstenregionen und die Umgebung von Athen abgesehen. Wie ein Einwohner von Mati gegenüber Financial Times erklärte, wurden bereits mehrere Sommerhäuser illegal in den Pinienwäldern gebaut, was die Brandgefahr erhöht.

Als 2007 ein Feuerinferno ganz Griechenland in Atem hielt, sprachen wir auf der World Socialist Web Site von einer „von Menschen gemachten Katastrophe“ und zeigten auf, wie die Politik, damals unter der Regierung der rechtskonservativen Nea Dimokratia, und kriminelle Immobilienspekulanten für die Waldbrände verantwortlich sind.

Mehr als zehn Jahre später hat sich die Situation nicht gebessert – im Gegenteil. Die Regierung der pseudolinken Syriza (Koalition der radikalen Linken) hat bei der Feuerwehr gekürzt und massive Einsparungen im öffentlichen Sektor durchgesetzt. Die sozialen Angriffe auf die griechische Arbeiterklasse auf der einen Seite und die Privatisierung und Deregulierung des Staates im Interesse von Unternehmern und Oligarchen auf der anderen Seite haben die Klassenspannungen in Griechenland auf einen Siedepunkt gebracht.

In der Bevölkerung wächst deshalb der Widerstand. Wie die Süddeutsche Zeitung unter der Überschrift „Nach den Flammen kommt die Wut“ berichtet, prangern viele Anwohner die fehlende Reaktion der Regierung an. So gab es in der Gegend von Mati kein Löschwasser. Ein griechischer Rentner kommentierte: „Das ist die Aufgabe der Verwaltung und [der Ort] Nea Makri hat einen Bürgermeister, der lieber im Fernsehen auftritt als seine lokalpolitischen Hausaufgaben zu machen.“ Eine andere Einwohnerin sagte, sie sei „wütend“, dass der Staat nicht reagiere.

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